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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
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Bündel, das hinter seinem Sattel festgebunden war, nahm es unter den gleichen Arm, der den Speer hielt, und gab einem Mann eine Münze, damit er sein Pferd in einen Stall bringe. Die Zuschauer glotzten. Er klopfte an die Tür.
    Sie öffnete sich, sie sahen, wie überrascht Ingeborg war, hörten sie aufschreien. Der Fremde trat sofort ins Innere und schloß ihnen die Tür vor der Nase. Eine Minute später wurden die Fensterläden zugezogen, und es war nichts von innen zu hören.
    Ein Torffeuer auf dem Herd spendete nur wenig Licht, aber sie hatte verschwenderisch mehrere Wachskerzen angezündet. Sie beleuchteten den neu gesetzten Ofen, Tisch, Sessel, Schemel, wollene Wandbehänge, blitzende Küchengeräte. Rauch wirbelte zu den mit Vorräten bela-denen Dachbalken hoch und verschwand in flackernden Schatten. Die Katze, die bisher ihre einzige Hausgenossin gewesen war, hatte es aufgegeben, Aufmerksamkeit zu erheischen, und schlief auf den Binsen, mit denen der Lehmfußboden bestreut war. Das Feuer füllte den Raum mit Wärme und Duft, als wolle es die hereingebrochene Nacht vertreiben.
    Tauno und Ingeborg saßen auf einer Truhe, deren mit Kissen belegter Deckel eine Bank mit Rückenlehne abgab. Ein Weinkelch, den sie sich hatten teilen wollen, stand auf einem Wandbrett neben ihm, aber es war kaum daraus getrunken worden, und das Essen, das sie auf den Tisch gestellt hatte, blieb unberührt. Denn nachdem der Sturm von Küssen, Umarmungen, Liebkosungen, Lachen, Tränen, leidenschaftlichen Worten der Freude sich in ihr gelegt hatte, erzählte er ihr seine ganze Geschichte.
    „… Ich kam über Land in der Hoffnung, etwas zu finden, das mir Hoffnung geben würde. Aber die Reise war nur langsam, mühselig und gefährlich. Nun, hier und da gab es Überbleibsel des Feenreichs, anders als alles, wovon ich je gehört hatte. Früher einmal hätte ich viel Zeit darauf verwendet, sie kennenzulernen. Jetzt hatte ich keine Lust, mich irgendwo lange aufzuhalten. Vor ein paar Tagen kam ich in Kopenhagen an. Niels und Dagmar hießen mich willkommen, aber in ihrem Haus gefiel es mir noch weniger – es ist zu voll von Heiligkeit; kein Ort für meine Nada. Ich habe ihnen nichts über sie erzählt. Statt dessen kaufte ich ein, was ich brauchte, um einen guten Eindruck zu machen, und kam sofort hierher. Aye, sie haben mich gebeten, dich zu grüßen und zu baldiger Rückkehr zu überreden. Sie hätten es gern, wenn du unter Menschen gingst, Vergnügen hättest, irgendeinen freundlichen Witwer heiratetest, der eine Mutter für seine Kinder sucht.“
    Ingeborg lehnte sich an ihn. Sein Arm lag um ihre Mitte, ihrer über seinem Rücken. Mit den Fingern kämmte sie sein Haar. Aber sie sah ihn nicht an, sie starrte in das dunkle Loch, das die offene Tür zum Hinterzimmer bildete. Ein zweiter Sturm hatte sich in ihr durch seine Erzählung erhoben und war ebenfalls erstorben. Immer noch zitterte sie ein wenig, schluckte, sprach mit einer Stimme, die vom Weinen rauh und unsicher war; ihre Augen waren rot, sie schnupfte auf, Salz lag auf ihren Wangen und ihrer Oberlippe. Doch sie brachte es fertig, ruhig zu fragen:
    „Wie ist es mit dir und ihr?“
    Auch er blickte in die Ferne. „Seltsam“, antwortete er, nicht lauter. „Ihre Nähe … wie ein süßes Getränk, das brennt … oder die Erinnerung an eine tote Geliebte, bevor das Leid verblaßt ist, obwohl mehr als eine Erinnerung: eine Anwesenheit … Empfindet ihr Christen so für eure Toten, die im Himmel sind?“
    „Ich glaube nicht.“
    „Im Wachen habe ich sie bei mir wie meinen eigenen Herzschlag.“ Tauno schlug sich aufs Knie. „Das ist alles – das, und eine deutlichere Vorstellung von Vergangenem, als ich je gehabt habe – es schmerzt!“ Er beherrschte sich. „Aber es tröstet auch. Es ist ihre Anwesenheit, sagte ich; sie ist nicht fortgegangen. Und wenn ich schlafe, oh, dann kommt sie in meinen Träumen zurück. Es ist wie im Leben; wir sind zusammen, genauso wie früher, denn es ist wirklich Nada, die in dem Amulett ist.“
    Ingeborg nahm ihre letzte Kraft zusammen: „Kannst du dich in diesen Träumen richtig mit ihr vereinigen?“
    Er ließ die Schultern hängen. „Nein. Wir streifen in ihrem Heimatland umher oder in Ländern und Meeren, wo ich gewesen bin, die ich für sie heraufbeschwören kann. Sie sieht sie sich staunend mit großen Augen an … bis der Kummer sie so überwältigt, daß sie mir alles versagen muß, was mehr ist als ein Kuß. Ich versichere ihr, dies
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