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Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit
Autoren: Gabriele Ketterl
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Zeit immer wie im Fluge. Ich darf mich verabschieden, morgen warten wichtige Geschäfte auf mich, wichtige Entscheidungen sind zu treffen, dazu bedarf es eines wachen Verstandes.“ Er verbeugte sich vor Ana, hauchte einen Kuss auf ihre Hand und machte sich dann auf die Suche nach Donna Sonja, um ihr für die Einladung zu danken und sich auch von ihr zu verabschieden.
    Als Mohammed den großen Saal betrat und auf die Donna z usteuerte, löste sich hinter ihm Don Ricardo aus dem Schatten eines Mauervorsprungs, sein Lächeln entbehrte jeder Herzlichkeit.
     
    Mohammed jagte seinen geliebten Schimmel durch die Nacht, als wären ihm Höllenhunde auf den Fersen. Die Posten, die Fathi aufgestellt hatte, erkannten den Sohn ihres Herrn und ließen ihn ungehindert passieren. Anas offenbare Furcht hatte sich auf ihn übertragen. Noch nie hatte sie Angst gezeigt, noch nie hatte sie so verunsichert gewirkt – und nun das! Die Ankündigung der bevorstehenden Verlobung mit dem Don, ihre Warnung, dass er nicht sicher sei, und die Tatsache, dass sie ihn weggeschickt hatte, auch wenn es zu seinem eigenen Wohl war. Ohne Ana aber war ihm sein Wohl egal, vollkommen egal. Aufgewühlt und verstört versorgte er noch sein Pferd und ging dann sofort auf sein Zimmer. Wie so oft, wenn er nachdenken musste, setzte er sich auf die Brüstung seines Balkons und blickte zum nachtschwarzen Himmel empor. Leider wartete er vergeblich auf eine Eingebung von oben. Also musste er selbst eine Lösung finden – und zwar eine, die weder Ana noch seine Familie in Gefahr bringen würde. Die Frage war nur: welche?
     
    Als der dunkle Schatten sich in das herrschaftliche Anwesen schlich, hatten die Hähne schon gekräht. Der Eindringling öffnete lautlos die schwere Pforte und schritt, ohne irgendein Geräusch zu verursachen, durch die große Halle. Unterhalb der geschwungenen Freitreppe zu den oberen Räumen stand ein herrlicher kunstvoll geschnitzter Tisch aus Zedernholz, auf dem mehrere Flaschen mit edlen Weinen und anderen köstlichen Tropfen standen. Er öffnete eine der Flaschen, goss sich ein Glas voll goldbrauner Flüssigkeit ein und schnupperte genießerisch daran. „Köstlich, ein gar edler Tropfen! Ich denke, den habe ich mir redlich verdient.“ Ein leises Geräusch ließ ihn herumschnellen.
    „Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr noch einen Kopf habt, mit dem Ihr genießen könnt!“
    Er blickte in den Lauf eines Gewehres, schien allerdings in keinster Weise irgendwie beeindruckt von der riesigen Waffe. „Ich bitte Euch, Don Ricardo. Ihr solltet den Überbringer guter Nachrichten etwas freundlicher empfangen.“
    Don Ricardo ließ die Waffe mit einem leisen Lachen sinken. „Es kommt ein wenig auf die Tageszeit an, zu der mir diese Bo tschaften überbracht werden. Ihr wisst, dass ich Überraschungen nicht besonders zu schätzen weiß.“
    Der Fremde zog sich mit einer langsamen Bewegung die Kap uze vom Kopf und streifte seinen Umhang ab. „Für das, was ich Euch heute bringe, werdet ihr – sollte ich das fordern – bereit sein, meine Füße zu küssen.“
    Don Ricardo zog bei dieser Ankündigung nur spöttisch die A ugenbrauen hoch. „Ihr kennt mich wohl noch nicht recht, Don Alonso ... oder wäre Euch die Bezeichnung ,Eminenz‘ lieber?“
    Der so Angesprochene zuckte merklich zusammen. „Wie Ihr wohl wisst, Don Ricardo, heiligt der Zweck die Mittel, doch sollten wir ein wenig an Vorsicht walten lassen. Daher darf ich auch weiterhin darum bitten, der einfache Don sein zu dürfen, der Euch zu Diensten war.“ Er griff hinter sich zwischen die Falten seines Umhanges und förderte eine Schriftrolle zutage, an der ein deutlich sichtbares rotes Siegel prangte.
    Die Augen Don Ricardos wurden nun doch ein wenig größer und seine Gesichtszüge büßten etwas von der gewohnten Contenance ein. „Ihr wollt sagen, Ihr hättet es tatsächlich bewerkstelligen können? Es ist Euch gelungen, das Dokument zu bekommen?“
    Don Alonso lachte bitter auf. „Es war so leicht! Noch vor wenigen Jahren hätten mich die Majestäten wohl ausgelacht. Heute – in Zeiten, in denen sie so dringend ihre Schatzkammern wieder füllen müssen und in denen dank des blühenden Landes enormer Reichtum winkt – sehen sie nur noch das Gold und die neuen Güter am Horizont. Alte Freundschaften, alte Verbindungen, all das gehört der Vergangenheit an. Das Blatt hat sich gewendet. Meine Schilderung, dass alles verlassen sei, hat das Ihrige dazu getan. Nun lasst Eurerseits
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