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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Autoren: Håkan Nesser
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zusammengearbeitet, und da hatten sie wohl über den Sommer gesprochen. Und über das eine und andere mehr.
    Ich hatte eigentlich keine festeren Freundschaften abgesehen von Benny möglicherweise, aber der fiel ja für den Sommer aus -, deshalb streckte ich meine Fühler aus, nachdem ich ein paar Pausen um ihn herumgeschlichen war.
    »Hallo, Edmund«, sagte ich.
    »Hallo«, sagte Edmund.
    Wir standen an der Ecke des Fahrradständers mit dem Wellblechdach und traten ohne großen Ehrgeiz Kieselsteine gegen ein paar Mädchenräder.
    »Mein Vater hat mir was gesagt«, sagte ich.
    »Ich habe es gehört«, sagte Edmund.
    »Aha, ja«, sagte ich.
    »So ist es«, sagte Edmund.
    Dann klingelte es zur Stunde, und mehrere Tage lang sprachen wir nicht mehr drüber. Aber ich fand, es war eine
    vielversprechende Einleitung gewesen.
    ***
    Genezareth war kein See. Es war ein Haus, das an einem See lag, und der hieß Möckeln. So heißt er noch heute.
    Fünfundzwanzig Kilometer außerhalb der Stadt. Gut zwei Stunden mit dem Fahrrad hin. Gut eineinhalb zurück. Der Zeitunterschied ergab sich durch den Klevabuckel, einem fürchterlichen Muskelfresser von ungefähr dreihundert Metern Länge genau auf halber Strecke.
    Es lagen einige Häuser am Möckeln - einem relativ großen und fast kreisrunden See mit braunem Wasser-, aber meistens waren es bewaldete Strände. Genezareth lag auf einer Kiefernlandzunge in ziemlich einsamer, majestätischer Lage und kam von mütterlicher Seite in unsere Familie. Eine baufällige, zweigeschossige Holzhütte ohne jeden größeren Komfort außer einem Dach über dem Kopf und frischem Seewasser in zehn Metern Entfernung. Jeden Winter zerbrach das Eis den Steg, und für den Kahn gab es einen Außenbordmotor, der eigentlich seit meiner Geburt auseinander genommen in einem Schuppen lag.
    Meiner sterbenden Mutter gehörte das Haus nicht allein. Es gab noch eine Tante Rigmor, ihr gehörte die Hälfte davon, aber sie war nicht zurechnungsfähig und konnte keine Ansprüche
    stellen.
    Der Grund für Rigmors traurigen Zustand lag in einem traumatischen Unglück während einem der ersten Kriegssommer. Der ging in unsere Familiengeschichte mit der gleichen Selbstverständlichkeit ein wie der Sündenfall in die biblische - sie war mit einem Elch zusammengestoßen, und die Tatsache, dass sie mit einem Fahrrad gefahren war, warf einen starken, fast mythologischen Schein auf das Geschehen. Gemeinsam mit einer Freundin war sie in den Ferien mit dem Fahrrad unterwegs in Smaland gewesen, und von irgendeinem Hügel im Hochland war sie zuerst direkt in einen prächtigen Zwölfender gerast und anschließend ins allgemein bekannte Dingle-Irrenhaus an der Westküste gekommen.
    Lebenslänglich, wie es schien. Ich hatte sie nur einmal kurz gesehen und fand, sie ähnelte meiner Mutter in keiner Weise. Eher erinnerte sie mich an einen Seehund. Mit Brille statt Schnauzbart, aber ich nahm an, dass man genau so aussehen sollte, wenn man im Dingle saß.
    Es ist zwar nicht ganz sicher, dass meine Eltern versucht hätten, Genezareth zu verkaufen, wenn es nicht diese tragische Tante gegeben hätte, aber ich nehme es stark an. Ich hatte nie das Gefühl, dass sie sich dort draußen wirklich wohl fühlten.
    Vielleicht, weil es so unbequem war. Vielleicht, weil meine Mutter nie schwimmen gelernt hatte. Es war ein tiefer See. Zumindest an bestimmten Stellen. Zumindest vor unserer Landzunge.
    Wie es sich mit dem ein oder anderen nun auch verhielt, jedenfalls hatte ich an diesem Tag im Mai Probleme, mir vorzustellen, wie der Sommer sich wohl gestalten würde.
    Mit Henry und Emmy. Ich konnte nicht an Emmy denken, ohne ihren Busen vor mir zu sehen. Vollkommen bedeckt, aber trotzdem. Und ich konnte ihren Busen nicht vor mir sehen, ohne einen Steifen zu kriegen. So war es nun mal.
    Und der Gedanke daran, was mein Bruder wohl mit Emmy Kaskel vorhatte, war ebenfalls nicht so leicht zu bewältigen, oh nein. Genezareth war kein großes Haus.
    Und dann noch das mit Edmund. Ich wusste ganz einfach nicht, wie es werden würde.
    Obwohl, scheiß drauf, dachte ich. Kommt Zeit, kommt Rat.
     
    ***
     
    Es war ein Donnerstag, als Ewa Kaludis ihre Stelle in der Stavaschule antrat. Wir hatten gerade eine Doppelstunde in der Holzwerkstatt gehabt, und ich hatte letztendlich den Zeitungsständer demoliert, an dem ich seit sieben Monaten gearbeitet hatte. Holz-Gustav war nicht begeistert gewesen, aber ich hatte ein gutes Gefühl. Ich mochte das Werken nicht, weder
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