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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel
Autoren: Michael Marshall
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und den Resten einer Mikrowellenmahlzeit genährte Hoffnung erfüllte.
    Wir gingen zusammen zur Tür, er schloss auf und ließ mich ebenfalls herein. Ich bedankte mich, ohne viel Aufhebens zu machen. Als er zu den Briefkästen ging, rannte ich die Treppe hoch und dachte: So kann es kommen, dass Leute ermordet werden – weil jemand dem falschen Kerl behilflich ist.
     
    Oben auf dem zweiten Stock eilte ich ans andere Ende. Zwei Dinge sprangen an der Tür zur 204 sofort ins Auge. Erstens, sie stand einen Spalt offen. Zweitens, es klebte ein Blatt Papier mit dem Shore-Realty-Briefkopf an der Tür. Jemand hatte darauf in großen, leserlichen Großbuchstaben ein einziges Wort geschrieben. Und einen Smiley daruntergesetzt.
    Ich starrte darauf. Die drei Punkte und eine kleine, nach oben gebogene Linie. Das Wort MODIFIED .
    Jetzt bestand kein Zweifel mehr, dennoch hatte ich die Wahl, weiterzugehen oder umzukehren und zum Auto zu rennen.
    Ich griff hinter mich und zog die Waffe, dann schob ich vorsichtig die Tür auf. Dahinter befand sich ein kurzer, breiter Flur. Er war dunkel. Ich trat ein und ließ die Tür hinter mir offen. Links endete der Flur an einer Wand mit ein paar Garderobenhaken. Ein schicker blauer Blazer, eine Handtasche, die ich vage wiedererkannte. Beides gehörte Karren.
    Ich sah in die andere Richtung. Dort befand sich ungefähr anderthalb Meter entfernt links eine Tür. Ich schlich mich in diese Richtung. Ein flüchtiger Blick sagte mir, dass es ein Gäste- WC war. Klein, keine Fenster. Es roch so sauber wie in einem OP .
    Ich ging zur anderen Seite hinüber und hielt mich dicht an die Außenwand. Seitlich arbeitete ich mich bis zu der Stelle vor, wo der Gang auf die hintere Wand traf und wo eine breite Öffnung in die eigentliche Wohnung führte.
    Ich versuchte, mich an das Apartment zu erinnern, das ich mir in diesem Block angesehen hatte. Es war keine Eckwohnung gewesen – der Grundriss war folglich nicht unbedingt gleich. Wenn man jedoch bedachte, wie lang dieser Flur war, vermutete ich, dass die große Öffnung höchstwahrscheinlich ins Wohnzimmer führte, einen großen Raum mit Glastüren auf beiden Seiten des umlaufenden Balkons, den ich vom Garten aus gesehen hatte.
    Ich machte noch einen langsamen, lautlosen Schritt. Eine halbe Minute lang stand ich reglos da und horchte. Von irgendeiner Straße drang das Geräusch eines Fahrzeugs herein, dann von noch weiter weg eine Hupe. Trotz der Distanz waren beide Geräusche so deutlich zu hören, dass ich mich fragte, ob die Türen zum Balkon offen standen. Von draußen hatte ich nicht darauf geachtet. Ich legte die andere Hand um den Kolben der Pistole, so wie ich es bei Hallam gesehen hatte. Ich machte den letzten Schritt zur Seite und blickte durch die Lücke in der Wand.
    Das Wohnzimmer. Ein paar dunkelrote Sofas, drei Lampen, ein Couchtisch, der aus meinem Blickwinkel teilweise hinter einem großen Sessel verschwand. Heller Teppich. An der rechten Wand stand ein Bücherregal mit mehr Büchern, als ich erwartet hätte. Alles war überaus ordentlich.
    Es war niemand da.
    Und jetzt? Sollte ich rufen? Wäre das vernünftig oder blöd? Woher sollte ich das wissen? Ich machte den Mund auf und atmete ein paarmal tief durch. Ich hörte nur das Klingeln in meinen Ohren.
    Ich trat einen Schritt vor, bis an die Schwelle des Zimmers. Ich bemerkte etwas, das am einen Ende auf dem Couchtisch lag und jetzt hinter dem Sessel zum Vorschein kam. Ein paar Karten oder dergleichen, noch ein paar Papiere und Karrens Handy.
    Vielleicht sollte ich einfach ihren Namen rufen. Falls Karren zu Hause war, in der Küche oder im Bad oder im Schlafzimmer, würde sie zu Tode erschrecken, wenn sie einen Mann in ihr Wohnzimmer kommen sah, erst recht, wenn sie sowieso schon wegen der Dinge, die plötzlich in ihrem Leben passierten, Angst hatte. Doch falls sie tatsächlich
da
war, wieso hatte sie dann nicht auf meinen letzten Anruf reagiert? Und selbst wenn sie zunächst einen gehörigen Schrecken bekam, würde sie sich sofort beruhigen, sobald sie sah, dass ich es nur war.
    Doch ich brachte keinen Laut hervor. Und so trat ich noch etwas weiter in den Raum. Jetzt konnte ich sehen, dass es sich bei den Karten um Fotos handelte: drei fast quadratische Rechtecke wie Polaroidfotos. Die anderen Papiere hatten die dünne, aufgerollte Form von Kassenbelegen.
    Ich näherte mich diagonal dem Tisch, immer einen Schritt auf einmal, während ich den Blick – und die Waffe – die ganze Zeit
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