Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
sich eingenommen und liebte es, den Klang seiner eigenen Stimme zu hören. Trotz seiner kostbaren Kleider schien er das Badehaus nur äußerst selten aufzusuchen. In der warmen Sonne verströmte er einen Gestank, der mir zusammen mit den Ausdünstungen der faulig-braunen Themse die ansonsten angenehme Reise verdarb.
    Wir hatten unter lautstarken Trompetenfanfaren vom Kai von Winchester House abgelegt; ein Boot voller Musikanten hatte sich an unserer Seite gehalten, sodass der endlose Monolog des Palatins vom Trillern der Flötenspieler zu unserer Rechten begleitet wurde. Mein Unbehagen verstärkte sich zusehends,
denn die Blumen, die so großzügig in der Barke verstreut worden waren, reizten mich zum Niesen. Ich sank in die Seidenkissen zurück und versuchte, mich auf das rhythmische Plätschern der Ruder zu konzentrieren, während wir majestätisch durch die Stadt glitten. Kleinere Boote machten uns ehrerbietig Platz, und die Insassen zogen, wenn sie die königliche Barke erkannten, respektvoll ihre Kappen und starrten uns an. Mir für meinen Teil war es fast gelungen, das Geplapper des Palatins zu einem Hintergrundgemurmel zu reduzieren, während ich die Aussicht genoss, und ich hätte mich damit zufriedengegeben, mich an der sanft gewellten, hier und da bewaldeten grünen Landschaft zu erfreuen, doch Sidney war entschlossen, den Polen zu unterhalten, und verlangte dabei meine Unterstützung.
    »Dort seht Ihr den großen Hampton-Court-Palast, der einst Kardinal Wolsey, dem Günstling unseres Königinvaters gehörte.« Er deutete mit großer Geste zum Ufer hinüber, als wir uns den imposanten roten Backsteinmauern näherten. »Nicht dass er lange Freude daran gehabt hätte – das ist das Schicksal eines jeden, der von den Launen eines Prinzen abhängig ist. Doch Euch scheint die Königin sehr zu schätzen, Laski, sonst hätte sie nicht einen solchen Aufwand betrieben, um Euch den Aufenthalt in London und diese Reise so angenehm wie möglich zu machen.«
    Der Palatin warf sich in die Brust.
    »Nun, es steht mir natürlich nicht an, so etwas zu sagen, aber ich denke, am englischen Hof ist es allgemein bekannt, dass Palatin Laski die Gastfreundschaft Ihrer Majestät in höchstem Maße genießt.«
    »Und da sie sich nun mit dem Herzog von Anjou überworfen hat, frage ich mich, ob wir, ihre Untertanen, jetzt ein Bündnis mit Polen in Erwägung ziehen sollten?«, fuhr Sidney tückisch fort.
    Der Palatin legte die Spitzen seiner dicken Finger wie zum Gebet gegeneinander und schürzte die feuchten Lippen. Seine kleinen Schweinsäuglein glänzten selbstgefällig.

    »Eigentlich dürfte ich es ja gar nicht laut aussprechen, aber natürlich ist mir während meines Aufenthalts bei Hof nicht entgangen, dass die Königin mir … nun, sagen wir, besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Selbstverständlich hat sie äußerste Vorsicht und Zurückhaltung walten lassen, ich denke allerdings, Männer von Welt wie Ihr, Sir Philip, und ich, die nicht hinter Klostermauern begraben waren, bemerken sofort, wenn eine Frau uns mit Verlangen im Blick ansieht, nicht wahr?«
    Bei diesen Worten konnte ich ein ungläubiges Schnauben nicht unterdrücken, das ich als weiteren Niesanfall tarnen musste.
    Die Spielmänner beendeten ihre ausgelassene Weise und stimmten eine melancholische Melodie an, die es mir erlaubte, in nachdenkliches Schweigen zu verfallen, während Felder und Wälder an uns vorüberglitten und der Fluss schmaler wurde und daher weniger stark befahren. Über uns ballten sich Wolken zusammen, die sich im Wasser widerspiegelten, und die Hitze wurde schwer und drückend. Offenbar hatte Sidney recht, ein Sturm war im Anzug.
    »Auf jeden Fall habe ich mir die Freiheit genommen, ein Sonett zu verfassen, das die Schönheit der Königin preist, Sir Philip«, verkündete der Palatin nach einer Weile. »Und ich überlege, es zuerst Euch vorzutragen, bevor es ihre zarten Ohren zu hören bekommen. Ich würde den wohlmeinenden Rat eines Dichterkollegen sehr zu schätzen wissen.«
    »Da wendet Ihr Euch lieber an Bruno«, erwiderte Sidney obenhin und ließ derweilen eine Hand müßig durch das Wasser gleiten. »Seine Landsleute haben diese Gedichtform erfunden. Ist es nicht so, Bruno?«
    Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und ließ meine Gedanken erneut wandern, während der Palatin mit seinem ermüdenden Vortrag begann.
     
    Wenn jemand im Verlauf der Zeit, in der ich mich die ganze italienischen Halbinsel hinauf von Stadt zu Stadt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher