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Kerzenlicht Für Eine Leiche

Kerzenlicht Für Eine Leiche

Titel: Kerzenlicht Für Eine Leiche
Autoren: Granger Ann
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herein.« Meredith hörte das Schlagen einer Wagentür und eine befehlende Frauenstimme.
    »Sitz, Oscar! Halt endlich still, hörst du?« Ein tiefes, volles Bellen antwortete. Meredith stellte sich einigermaßen nervös ein großes, wildes Tier von der finsteren Sorte vor, wie es im Hund von Baskerville beschrieben wird. Sie war misstrauisch gegenüber fremden Hunden. Die Küchentür wurde geöffnet, und Pater Holland sowie eine Frau stürzten herein wie von einer unsichtbaren Macht gestoßen. Pfotenscharren auf dem Steinfußboden, zusammen mit einem heftigen Schnaufen irgendwo unten, verriet, dass diese Macht Oscar war. Als Meredith die Besucherin erkannte, entspannte sie sich. Ihr Verstand war noch ganz durcheinander von den Neuigkeiten, und sie hätte sich nicht gerne mit einer Fremden unterhalten. Doch sie war Margaret Holden bereits flüchtig bei verschiedenen halb inoffiziellen Veranstaltungen begegnet. Als Mutter des jungen parteilosen Abgeordneten war Margaret im Wahlkreis wohl bekannt. Sie war Ende fünfzig und wahrscheinlich niemals eine Schönheit gewesen – dazu waren ihre Nase zu lang und ihr Mund zu breit –, doch mit einer hohen, glatten Stirn über stark ausgeprägten Augenbrauen und dem aschblonden Haar, das glatt nach hinten gekämmt war, besaß sie eine starke Ausstrahlung. Merediths Blick fiel auf eine grässliche Brosche auf dem Mantel der Besucherin, eine Raubvogelkralle in einer silbernen Fassung.
    »Sie kennen sicherlich Meredith Mitchell, oder?«, fragte Pater Holland. Mrs. Holdens Stimme klang überraschend tief und warm zugleich.
    »Selbstverständlich. Warten Sie bitte einen Augenblick, ich möchte nur gerade Oscar von der Leine lassen.« Sie bückte sich, dann richtete sie sich wieder auf und faltete die Leine ordentlich zusammen, bevor sie Meredith ein wenig steif die Hand hinhielt.
    »Wie schön, Sie wieder einmal zu sehen, Meredith. Und wie praktisch – ich wollte Sie sowieso heute anrufen.« Meredith stand auf, um die angebotene Hand zu nehmen, doch bevor es dazu kam, kollidierte ein massives Etwas mit ihren Knöcheln und beförderte sie vorwärts taumelnd über den Tisch.
    »Oscar!«, tadelte seine Besitzerin. Meredith sah nach unten. Der Besitzer der dunklen Bellstimme hatte einen langen, kräftigen Leib und sehr kurze Beine, eine tonnenförmige Brust, lange, an den Rändern kahl werdende Ohren sowie – über einer langen spitzen Schnauze – stechend braune Augen, die Meredith erbost von unten her anblickten. Oscar war ein ausgewachsener schwarz-braun gescheckter Dachshund. Ein Dackel.
    »Hallo«, begrüßte ihn Meredith und bückte sich. Oscar wich hastig zurück und bellte sie mit seiner tiefen Stimme an. Dabei hüpfte er auf seinen Stummelbeinen auf und ab und schoss abwechselnd auf Meredith zu und ging wieder auf Abstand.
    »Ignorieren Sie ihn einfach«, riet Oscars Besitzerin. Meredith setzte sich wieder. Oscar schob sich misstrauisch heran, schnüffelte an ihren Schuhen, kam allem Anschein nach zu dem Schluss, dass sie harmlos war, und verlor das Interesse. Er wandte sich ab und rannte durch die Tür in den Flur hinaus, die Nase tief am Boden, den wedelnden Schwanz hoch aufgereckt wie eine Peitschenantenne auf einem Auto.
    »Oscar ist ein Spürhund«, erklärte Mrs. Holden.
    »Sein Instinkt lässt ihn jeder Spur folgen. Er tut niemandem etwas, aber wenn er irgendwo neu ist, will er herumrennen und alles untersuchen. Manche Leute mögen das nicht, deswegen frage ich immer zuerst, bevor ich ihn mit in ein fremdes Haus nehme.«
    »Sie wissen doch, dass Oscar und ich alte Freunde sind«, sagte Pater Holland von der Spüle her. Er füllte eine Schale mit Wasser und stellte sie auf den Boden.
    »Damit er etwas trinken kann, wenn er von seiner Erkundungstour zurück ist.« Vor der Vordertür erklangen knirschende Schritte und verstummten.
    »Jemand zu Hause?«, rief eine männliche Stimme. Die Glocke ging erneut. Dies war Wasser auf die Mühlen von Oscars Lieblingsbeschäftigung. Er antwortete mit einem Japsen und raste zur Tür, um sich wie ein Irrer aus vollem Hals bellend dagegenzuwerfen.
    »Da sind sie«, murmelte Pater Holland.
    »Meredith, darf ich Sie bitten, mich zu vertreten? Es wird nicht lange dauern, Margaret. Hoffe ich.« Er ging nach draußen. Einen Augenblick später hörten sie ihn rufen:
    »Still, Oscar!«
    »Vielleicht sollte ich ihn lieber holen«, sagte Margaret und drehte sich um. Noch während sie sprach, wurde Oscar von einer energischen klerikalen Hand am
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