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Keraban Der Starrkopf

Keraban Der Starrkopf

Titel: Keraban Der Starrkopf
Autoren: Jules Verne
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der Erwähnung, daß der Diener des Seigneur Keraban, ein Bursche von fünfundzwanzig Jahren, Namens Nizib, der so mager war, daß der Holländer Bruno sich darüber fast entsetzte, ebenfalls das alttürkische Costüm trug. Da er seinem Herrn, einen der starrsinnigsten Menschen, in keiner Weise entgegentrat, konnte er doch hierin nicht von ihm abweichen. Er war ein treuer Diener, dem es nur an eigenen Gedanken völlig fehlte. Meist sagte er schon im Voraus zu Allem ja und wiederholte unbewußt, wie ein Echo, das Ende der Phrasen des mächtigen Kaufherrn. Das war das beste Mittel, mit ihm stets einer Ansicht zu sein und sich gelegentlich harte Zurechtweisungen zu ersparen, welche Seigneur Keraban ziemlich verschwenderisch auszutheilen liebte.
    Beide kamen also durch eine der engen schlauchartigen Gassen, die von den Vorstadt Pera herabführen, nach dem Platze von Top-Hane. Seiner Gewohnheit gemäß sprach Seigneur Keraban mit lauter Stimme, ohne sich darum zu kümmern, ob ihn Jemand hörte oder nicht.
    »Zum Teufel, nein! sagte er. Mög’ Allah mit uns sein, aber seit der Zeit der Janitscharen hatte Jedermann das Recht, wenn der Abend gekommen war, zu thun, was ihm beliebte. Nein, ich füge mich ihren neuen Polizeiordnungen nicht! Ich werde auf der Straße gehen ohne Laterne in der Hand, wenn mir das beliebt, und wenn ich in das erste beste Schlammloch stürzen oder mich von einem herrenlosen Hunde sollte in die Beine beißen lassen.
    – Beine beißen lassen!… wiederholte Nizib.
    – Du hast gar nicht nöthig, mir die Ohren mit Deinen dummen Warnungen zu belästigen, oder bei Mohammed, ich verlängere die Deinigen, daß Dich jeder Esel sammt seinem Großvater darum beneiden soll!
    – Darum beneiden soll!… antwortete Nizib, dem es übrigens kaum in den Sinn gekommen war, sich mit einer Warnung aufzudrängen.
    – Und wenn der Polizeipräfect mich in Strafe nimmt, fuhr der trotzige Mann fort, so werd’ ich eben die Strafe bezahlen. Verurtheilt er mich zu Gefängniß – gut, so gehe ich in’s Gefängniß; aber es fällt mir, in diesem Punkte wie in jedem andern, gewiß nicht ein, nachzugeben!«
    Nizib machte ein Zeichen der Zustimmung. Er war bereit, seinen Herrn in’s Gefängniß zu begleiten, wenn es so weit kam.
    »Ah, diese Herren Jungtürken! rief Seigneur Keraban, als er eben ein paar Constantinopolitaner in schwarzem Rocke und mit dem rothen Fez auf dem Kopfe vorübergehen sah. Ah, Ihr wollt uns Gesetze geben, wollt mit den alten Gewohnheiten brechen! – Nun wohlan, und wenn ich allein übrig bleiben sollte, ich erhebe Einspruch!… Nizib, hast Du meinem Kajiktschi gesagt, sich um sieben Uhr an der Terrasse von Top-Hane einzufinden?
    – Um sieben Uhr!
    – Warum ist er noch nicht da?
    – Ja, warum wird er noch nicht da sein?
    – Aha, weil es eben noch nicht sieben Uhr ist.
    – Nein, es ist noch nicht sieben Uhr.
    – Woher weißt Du das?
    – Ich weiß es, weil Sie es sagen, Herr!
    – Und wenn ich sagte, es wäre fünf Uhr?
    – Dann würde es auch um fünf Uhr sein, antwortete Nizib.
    – Nein, es giebt doch keinen dümmeren Menschen!
    – Keinen dümmeren Menschen.
    – Dieser Kerl, murmelte Keraban, wird mich noch wüthend machen damit, daß er nie eine andere Meinung hat!«
    Eben erschienen Van Mitten und Bruno wieder auf dem Platze, und Bruno sagte mit dem Tone schwerer Enttäuschung:
    »Nein, ziehen wir unseres Wegs, Herr; lassen Sie uns fortgehen und mit dem ersten Zuge reisen! Das soll Constantinopel sein, die Hauptstadt des Oberherrn der Gläubigen? – Nimmermehr!
    – Nur ruhig, Bruno, ruhig!« antwortete Van Mitten.
    Es wurde jetzt allmählich Abend. Die hinter den Anhöhen des alten Stambul verborgene Sonne ließ den Platz von Top-Hane schon in einer Art Helldunkel. Van Mitten erkannte deshalb den Seigneur Keraban nicht gleich, als dieser sich mit ihm auf dem Wege nach dem Quai von Galata kreuzte. Der Zufall wollte es auch, daß die beiden Männer, da sie gerade in verschiedener Richtung gingen, an einander stießen, indem sie gleichzeitig nach
     

    Beide kamen nach dem Platze von Top-Hane. (S. 30.)
     
    rechts und wieder nach links ausweichen wollten. Diese Hin-und Herbewegung, welche eine halbe Minute dauerte, hatte einen fast lächerlichen Anstrich.
    »Nun, mein Herr, rief Keraban, der nicht dazu angethan war, nachzugeben, Sie werden mich durchlassen.

    – Ja, aber… erwiderte Van Mitten, der höflich zur Seite wich, um Platz zu machen, aber aus dem eben angegebenen Grunde nicht
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