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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht?
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Ausdruck eines Dokuments mit dem Titel Lexi und Eric: Trennungs-Handbuch. Er schlug vor, wir sollten uns einmal im Monat zu einem »Meilenstein-Meeting« treffen. Aber bisher habe ich es noch nie geschafft. Ich ... ich kann Eric im Moment einfach nicht sehen.
    Ebenso wenig kann ich mir sein Kapitel unter der Überschrift »Trennungssex: Untreue, Solo, Versöhnung, Andere« durchlesen.
    Andere? Was um alles in der Welt ...
    Nein. Denk gar nicht darüber nach. Es hat keinen Sinn, sich mit der Vergangenheit aufzuhalten. Es hat keinen Sinn, vor sich hin zu brüten. Wie Fi schon sagte: Man muss nach vorn blicken. Das kann ich inzwischen ganz gut. Die meiste Zeit ist meine Vergangenheit eine verschlossene Schatulle, irgendwo ganz hinten in meinem Kopf, wasserdicht abgeklebt.
    Ich mache in der Schnickschnack-Abteilung Halt und kaufe eine lila Lacktasche für Fi. Dann fahre ich nach oben und finde ein cooles 7os-T-Shirt für Carolyn.
    »Einen Glühwein vielleicht?« Ein Typ mit Weihnachtsmannmütze hält ein ganzes Tablett mit kleinen Gläsern bereit, und ich nehme mir eins. Während ich so weitergehe, merke ich, dass ich mich verlaufen habe und in der Herrenabteilung gelandet bin. Aber das macht nichts. Ich habe keine Eile. Eine Weile irre ich umher, schlürfe meinen Glühwein, lausche den Weihnachtsliedern und sehe die bunten Lichter blinken ...
    Oh, mein Gott, sie haben mich am Haken. Langsam wird mir weihnachtlich ums Herz. Okay, das ist schlimm. Wir haben erst Oktober. Ich muss hier raus, bevor ich anfange, Weihnachtskekse und Bing-Crosby-CDs zu kaufen. Gerade sehe ich mich um, wo ich mein Glas abstellen könnte, als mich eine freundliche Stimme begrüßt.
    »Da sind Sie ja wieder!«
    Es kommt von einer Frau mit blondem Bob, die pastellfarbene Pullis in der Ralph-Lauren-Abteilung zusammenlegt.
    »Ah ... hallo«, sage ich unsicher. »Kennen wir uns?«
    »Nein, nein.« Sie lächelt. »Ich erinnere mich nur an Sie, vom letzten Jahr.«
    »Letztes Jahr?«
    »Sie waren hier und haben ein Hemd gekauft, für Ihren ...
    Liebsten.« Sie betrachtet meine Hand. »Für Weihnachten. Wir haben uns ziemlich lange unterhalten, während ich es eingepackt habe. Ich musste oft daran denken.«
    Ich starre sie an, versuche, es mir vorzustellen. Ich, hier. Weihnachtseinkäufe. Die alte Lexi im beigefarbenen Kostüm, wahrscheinlich schrecklich in Eile, wahrscheinlich total im Stress.
    »Tut mir leid«, sage ich nach einer Weile. »Ich habe ein schreckliches Gedächtnis. Was habe ich gesagt?«
    »Keine Sorge!« Sie lacht fröhlich. »Warum sollten Sie sich daran erinnern? Ich weiß es nur noch, weil Sie so ...« Sie stutzt, faltet einen Moment nicht weiter. »Wahrscheinlich kommt es Ihnen albern vor, aber Sie machten einen so verliebten Eindruck.«
    »Ach, ja.« Ich nicke. »Ja.« Ich streiche eine Strähne zurück. Ich sollte lieber lächeln und gehen. Es ist nur ein unbedeutender Zufall, mehr nicht. Keine große Sache. Komm schon: Lächle und geh!
    Doch während ich dort stehe und die bunten Lichter blinken und der Chor The First Nowell singt und mir eine fremde, blonde Frau erzählt, was ich letztes Weihnachten getrieben habe, kommen alle möglichen verschütteten Gefühle hoch und drängen wie Blasen an die Oberfläche. Das wasserdichte Klebeband pellt an einer Ecke ab. Ich kann die Vergangenheit nicht mehr verdrängen.
    »Es mag sich jetzt vielleicht wie eine ... komische Frage anhören.« Ich reibe über meine Oberlippe. »Ich habe nicht zufällig gesagt, wie er heißt, oder?«
    »Nein.« Neugierig mustert mich die Frau. »Sie haben nur gesagt, dass er Sie zum Leben erweckt. Sie sprudelten geradezu über vor lauter Glück.« Sie lässt den Pulli sinken und mustert mich mit unverhohlener Neugier. »Sie können sich nicht erinnern?«
    »Nein.«
    Irgendwas schnürt mir die Kehle zu. Es war Jon.
    Seit ich ausgezogen bin, habe ich jeden Tag mit aller Kraft versucht, nicht an ihn zu denken.
    »Was habe ich ihm gekauft?«
    »Soweit ich mich erinnere, war es das Hemd hier.« Sie reicht mir ein blassgrünes Oberhemd, dann wendet sie sich einem anderen Kunden zu. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Ich stehe mit dem Hemd in der Hand da und versuche, mir Jon darin vorzustellen, und wie ich es für ihn ausgesucht habe. Versuche das Glücksgefuhl noch einmal wachzurufen. Vielleicht liegt es am Glühwein. Vielleicht war es nur ein langer Tag. Aber es scheint, als könnte ich das Hemd nicht aus der Hand legen.
    »Dürfte ich es bitte kaufen?«, sage ich,
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