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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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in der tiefsten galaktischen Provinz, rund 26 000 Lichtjahre vom
Zentrum der Milchstraße entfernt. Neben unserer Sonne tummeln sich in unserer
Galaxie 300 Milliarden weiterer Sterne, wobei die Milchstraße nur eine Galaxie unter schätzungsweise 100 Milliarden Galaxien
    mit etwa 70 Trilliarden Sternen ist.
    Die von Homo demens konsequent verdrängte
kosmische Bedeutungslosigkeit des Menschen zeigt sich allerdings nicht nur in
der räumlichen , sondern auch in der zeitlichen Dimension: So waren zwei Drittel der bisherigen
»Lebenszeit« des Universums (insgesamt 13,7 Milliarden Jahre) bereits
vergangen, als vor 4,6 Milliarden Jahren Sonne und Erde in den unermesslichen
Weiten des Weltalls auftauchten. Von der vermeintlichen Krönung der Schöpfung
war da beim besten Willen noch nichts zu erahnen. Es dauerte mehr als vier
Milliarden Jahre, also 90 Prozent der gesamten bisherigen Erdgeschichte, bis
überhaupt die ersten Wirbeltiere entstanden. Vor 416 Millionen Jahren siedelten
sich die ersten von ihnen an Land an, vor etwa 250 Millionen Jahren traten die
ersten Säugetiere auf. Allerdings hätte man unseren aus Reptilien
hervorgegangenen Vorfahren, die gerade einmal die Größe von Mäusen oder Ratten
erreichten, kaum eine verheißungsvolle Zukunft prognostiziert. Allzu sehr
standen sie im Schatten der Dinosaurier und Flugsaurier, die das Mesozoikum
(Erdmittelalter) dominierten.
    Dies änderte sich erst mit den verhängnisvollen
Meteoriteneinschlägen vor 65 Millionen Jahren, die zur Folge hatten, dass etwa
die Hälfte aller damaligen Pflanzen- und Tierarten (darunter sämtliche Saurier
und Flugsaurier) ausstarb. Erst nach dieser verheerenden Katastrophe konnten
sich die Säugetiere entfalten, unter anderem auch die Ordnung der Primaten, der
wir angehören. Bis zur Entstehung des modernen Menschen dauerte es von da an
aber noch immer Jahrmillionen. Vor etwa 15 Millionen Jahren trennten sich die
Vorfahren der heutigen Gibbons von unserer Stammlinie. Vor elf Millionen Jahren
schlugen die Orang-Utans einen eigenen Weg ein, vor sechs Millionen Jahren die
Gorillas. Knapp eine Million Jahre später trennten sich die Stammbäume der
heutigen Schimpansen und Bonobos vom Stammbaum des Menschen, weshalb wir, was Homo demens gerne verdrängt, mit den Schimpansen enger verwandt
sind als diese mit den Gorillas.
    Zum Zeitpunkt der Trennung der Stammeslinien von Mensch und
Schimpansen hätten wir unserem Vorfahren kaum zugetraut, dass er jemals
Nachkommen hervorbringen würde, die Kreuzworträtsel lösen oder ins All fliegen
würden. Denn das Gehirn der Australopithecinen war
nur unwesentlich größer als das eines heutigen Schimpansen. Erst bei Homo erectus, unserem direkten Vorfahren, setzte eine
bemerkenswerte Entwicklung des Denkorgans ein. Innerhalb von weniger als zwei
Millionen Jahren verdoppelte sich sein Gehirnvolumen. (Wenn Sie heute die Bedienungsanweisung
Ihres Fernsehers verstehen, haben Sie das nicht zuletzt dem guten alten Homo erectus zu verdanken.) Erst vor knapp 200 000 Jahren
entwickelte sich aus Homo erectus der moderne Mensch,
der, was oft vergessen wird, 95 Prozent seiner bisherigen Existenz als Jäger
und Sammler verbrachte. Es mag verwundern, aber tatsächlich kam
der moderne Mensch 99 Prozent seiner Artgeschichte ohne christliche Kirche aus,
99,9 Prozent ohne Dampfmaschine, 99,99 Prozent ohne Handy.
    Wenn man die Geschichte unseres Universums auf ein Kalenderjahr
umlegt, wird die kosmische Irrelevanz der Menschheit besonders offensichtlich:
Setzt man für den 1. Januar 00.00 Uhr den Urknall an, muss man schon bis Anfang
September warten, bis Sonne und Erde entstehen. Ende September entwickeln sich
die ersten primitiven Lebensformen. Es dauert bis Mitte Dezember, bis die
ersten Fische in den Ozeanen schwimmen. Um den 20. Dezember herum tauchen
Landwirbeltiere auf. Die Dinosaurier beherrschen die Szenerie vom 28. bis zum
30. Dezember. Erst am 31. Dezember, wenige Minuten vor Mitternacht, tritt der
erste Vertreter von Homo sapiens in Erscheinung. Die
menschliche Kulturgeschichte schrumpft im Maßstab des kosmischen Kalenders auf
die letzten Sekunden vor Neujahr zusammen.
    Zählen wir also den Countdown herunter, damit das Neujahrsfeuerwerk
    beginnen kann: 10 – die Jungsteinzeit endet, die Bronzezeit beginnt, 9 – in
    Oberägypten wird die erste Buchstabenschrift verwendet, 8 – die Gräber im ägyptischen
    Tal der Könige werden angelegt, 7 – die Chinesen erfinden den Kompass,
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