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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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die Digitalarmbanduhr angezogen hat. Wohl nirgends wird das so deutlich wie
in unserem Umgang mit nichtmenschlichen Tieren. Selbstverständlich halten wir
uns im Vergleich zu ihnen für etwas Besseres, ja: für das Beste schlechthin,
die Krone der Schöpfung , obwohl alle Fakten belegen,
dass wir bloß die Neandertaler von morgen sind. In
dem zwanghaften Bestreben, sich von »dem« Tier abzugrenzen, scheut sich Homo demens wahrlich keiner Torheit. Dabei sind wir mit
vielen Tieren nicht nur im höchsten Maße genetisch verwandt, sondern teilen
auch alle grundlegenden Emotionen mit ihnen.
    Dass unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, Bonobos, Gorillas
und Orang-Utans, ein Ich-Bewusstsein besitzen, um Verstorbene trauern, die
Zukunft antizipieren, dürften Sie mitbekommen haben, aber wissen Sie auch, dass
schon Schweine sich im Spiegel erkennen und kognitive Leistungen wie Primaten
erbringen? Dass Kühe über den Verlust ihrer Kälber weinen und in der
Stallhaltung regelrechte Depressionen entwickeln? Dass Hühner miteinander über
die Qualität des Futters kommunizieren und dass ihr Herz zu rasen beginnt, wenn
sie erkennen, dass ihre Küken in Not geraten? Zahlreiche Tiere auf diesem Globus
empfinden Lust und Schmerz, Freud und Leid, Hoffnung und Verzweiflung in
ähnlicher Weise wie wir. Würden wir einsehen, dass uns eine evolutionäre
Kontinuität mit allen anderen Lebewesen verbindet, würden wir begreifen, dass
wir bloß »Leben sind, das Leben will, inmitten von Leben, das leben will« 9 , so würde dies unser Denken
und Handeln radikal verändern. Es wäre die wohl größte
Revolution der Menschheitsgeschichte.
    Doch eben das lässt Homo demens nicht zu.
Mit der gleichen stumpfsinnigen Kaltschnäuzigkeit, mit der er Jahr für Jahr
Millionen seiner Artgenossen in den Hungertod treibt, wendet er sich seinen
Verwandten im Tierreich zu: Angesichts der Tatsache, dass allein in Deutschland
jährlich rund 40 Millionen Schweine geschlachtet werden, wundert es nicht, dass
jedem einzelnen dieser intelligenten und hochsensiblen Tiere nur ein
Quadratmeter Lebensraum zugebilligt wird, dass man es nicht für nötig hält, sie
bei der Kastration zu betäuben, dass man ihnen neben Antibiotika auch Psychopharmaka
verabreichen muss, damit sie die Tortur eines Lebens unter menschlicher Obhut
so lange durchstehen können, bis sie reif für den Schlachter sind.
    In völliger Verkennung der Tatsache, dass wir nicht über der Natur stehen, sondern bloß Teil der Natur sind, machen wir uns – getreu der dummdreisten biblischen Maxime –
»die Erde untertan«. Das bekommen nicht nur Abermillionen von Schweinen, Kühen,
Schafen, Hühnern, Gänsen und Enten zu spüren, die Jahr für Jahr aus
kulinarischen Gründen zu Tode gequält werden, sondern auch die vielen Millionen
Tiere, die wir zu Forschungszwecken foltern oder in zoologischen Gärten unter
oftmals unwürdigen Bedingungen gefangen halten. Selbstverständlich bleiben auch
frei lebende Tiere von der rasenden Tyrannei des Homo demens nicht verschont, sind wir es doch, die ihre Lebensräume mehr und mehr zerstören
und damit letztlich die Grundlagen für den beschleunigten Untergang unserer
eigenen Spezies schaffen.
    Laut Schätzungen des WWF (World Wide Fund for Nature) ging die Artenvielfalt
zwischen 1970 und 2005 um 27 Prozent zurück. Man kann das Artensterben unserer
Zeit also durchaus mit den Katastrophen der prähistorischen Vergangenheit
vergleichen, etwa mit dem Massensterben vor 65 Milliarden Jahren, dem unter
anderem die Dinosaurier zum Opfer fielen. Der Unterschied freilich ist: Dieses
Mal sind es nicht Meteoriteneinschläge oder Vulkanausbrüche, die einen Großteil
des Lebens auf der Erde vernichten. Es ist eines der irdischen Lebewesen
selbst, es ist Homo demens , der mit seinem
grenzdebilen Verhalten sich und andere in den Abgrund reißt, der es
offensichtlich gar nicht erwarten kann, von der Bühne des Lebens abzutreten.
    Zur Erreichung dieses Ziels haben wir innerhalb der letzten
Jahrzehnte beachtliche Leistungen erbracht: Wir haben die Böden vergiftet, die
Luft verpestet, die Meere überfischt, die Wälder gerodet. Wir haben innerhalb
eines schlappen Jahrhunderts Ressourcen ausgeplündert, die über Jahrmillionen
entstanden sind, und im Gegenzug Technologien erfunden, die ganze Landstriche
für Jahrtausende unbewohnbar machen. Jane Fonda brachte das dämliche Gebaren
von Homo demens einmal sehr schön auf den Punkt: »Wir
gehen mit der Welt um, als
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