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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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schmückende Beinamen gegeben, um
die Besonderheit unserer Spezies herauszustellen: Homo
absconditus , der unergründliche Mensch, Homo
aestheticus , der am Schönen orientierte Mensch, Homo
creator , der schöpferische Mensch, Homo innovator ,
der erfinderische Mensch, Homo ludens , der
spielerische Mensch – und nicht zuletzt, als Krönung der
Selbstbeweihräucherung, die offizielle Bezeichnung unserer noblen Spezies: Homo sapiens , der weise Mensch. Wäre es nicht so traurig,
könnte man es für den tollsten Witz der Geschichte halten: Der
weise Mensch – das ist etwa so originell wie der
vegetarische Löwe, der steppende Regenwurm oder die bürokratische Spitzmaus.
    Sicher: Eine gewisse Bauernschläue kann man unserer Spezies nicht
absprechen – aber Weisheit? Nein. Weisheit war und ist Mangelware unter uns
eitlen Affen. Unsere so hoch gerühmte Intelligenz – wir nutzten sie nicht
vorrangig, um aus dieser Welt einen besseren, einen lebenswerteren Ort zu
machen, sondern um uns gegenseitig auszutricksen, auszuplündern, auszubeuten,
abzuschlachten. Und wozu das Ganze? Für nichts und wieder nichts. Denn die
Sieger dieses elenden Spiels um Macht und Ressourcen kamen keineswegs in den
Genuss eines sorgenfreien Lebens. Sie mussten die Früchte ihres Triumphs
vielmehr ängstlich umklammern, in ständiger Furcht davor leben, bald selber
ausgetrickst, ausgeplündert, ausgebeutet, abgeschlachtet zu werden. Dümmer geht ’ s nimmer – und doch wird dieses Spiel fortgesetzt von Generation zu
Generation .
    Seien wir doch ehrlich: Die Geschichte der
Menschheit ist über weite Strecken eine Geschichte
der Unmenschlichkeit! Über Jahrtausende hatten wir nichts Besseres zu
tun, als uns gegenseitig niederzumetzeln. Wer zählt die Millionen und
Abermillionen, die gefoltert, gehängt, gesteinigt, erstochen, erwürgt,
erschlagen, erschossen, verbrannt, vergiftet, vergast wurden? Ein einzigartiger
Blutstrom zieht sich durch die Jahrhunderte, er ist der rote Faden in jener sinnlosen Aneinanderreihung von Mord und Totschlag, Ausbeutung und
Gewalt, die sich Geschichte nennt.
    Eine weit treffendere Artbezeichnung als Homo
sapiens wäre daher Homo demens 6 , der irre, der wahnsinnige
Mensch. Denn genau das zeichnet uns vor allen anderen Tieren besonders aus: Nur wir sind irrsinnig genug, unser Leben für pure Fiktionen wie » Gott « und » Vaterland « , » Ehre « und » Ruhm « aufzuopfern . Keine
Ideologie ist absurd genug, als dass wir für sie nicht bis zum bitteren Ende
kämpfen würden. Es reicht, einen Blick in die Geschichte der Religionen zu
werfen, um sich ein Bild von der kolossalen Wahnanfälligkeit des Menschen zu
machen: Kein noch so neurotischer Schimpanse würde jemals in den Krieg ziehen,
um zu beweisen, dass er den cooleren imaginären Freund (»Gott«) an seiner Seite hat. Wir Menschen haben das jedoch immer wieder getan – und ein Ende dieser stumpfsinnigen Groteske ist nicht in Sicht: Denn noch immer
bilden wir aufrecht gehenden Deppen uns ein, dass das Universum von einem
»Schöpfergott« exklusiv für uns und die Unsrigen erschaffen wurde.
    Die menschliche Hybris, im Mittelpunkt des Kosmos zu stehen, ist
wohl die dümmste und politisch verheerendste Wahnidee, die Homo
demens je hervorgebracht hat, sie ist gewissermaßen die
Mutter allen Schwachsinns . Von ihr stammen nicht nur unzählige religiöse
Idiotismen ab, sondern auch der weltliche Herrschaftsanspruch über den Globus,
den Homo demens seit jeher gnadenlos vollstreckt. Es
lohnt sich also, dieser ganz besonderen Basisblödheit auf den Grund zu gehen.

Die kosmische Eintagsfliege
    Machen wir uns dazu zunächst die banalen kosmologischen
Fakten bewusst 7 : Die
Erde mag uns zweibeinigen Winzlingen riesig erscheinen, im kosmischen Maßstab
ist sie aber so unscheinbar klein, dass es geradezu vermessen ist, sie als
»Staubkorn im Weltall« zu bezeichnen. Schon gegenüber unserer Sonne wirkt die
Erde wie ein Melonenkern gegenüber einer Wassermelone. Dabei ist die Sonne
selbst nur ein gelber Zwerg, der gegenüber dem roten Riesen Arcturus Melonenkerngröße
annimmt und gegenüber dem roten Überriesen Beteigeuze optisch ganz
verschwindet. 8
    Seit Kopernikus dürfte es sich einigermaßen herumgesprochen haben,
dass die Erde sich keineswegs im Mittelpunkt des Universums befindet (den es in
einem unendlichen Kosmos auch gar nicht geben kann). Wir befinden uns nicht einmal
im Zentrum unserer eigenen Galaxie, sondern in einem der äußeren Spiralarme,
sozusagen
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