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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre
Autoren: Imogen Parker
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kleinen Sachen ihr soviel Freude
gemacht hatten, doch dann begann sie daran zu zweifeln, daß das wirklich der
Fall gewesen war. Wenn sie in der letzten Zeit irgend etwas gelernt hatte, dann
ganz bestimmt, daß sie sich auf ihr Erinnerungsvermögen nicht verlassen konnte.
Ihre Erinnerungen waren wie die Lieblingskette aus ihrer Kindheit, dachte sie.
Sie hatte sie, in ein rosafarbenes Papiertaschentuch gewickelt, im Geheimfach
ihrer Schmuckschachtel gefunden, die mit rotem Samt ausgelegt war und auf der
sich eine winzige Ballerina drehte, wenn man den Deckel öffnete. Sie hatte das
sorgfältig verpackte Bündel aufgeregt ausgewickelt, nur um dann festzustellen,
daß die Perlen zerbrochen waren und aus Plastik und daß eine Erwachsene so
etwas niemals tragen würde.
    Das Haus stand zum Verkauf. Es gab
mehrere Interessenten, und jeden Moment würde ein weiteres Ehepaar zur
Besichtigung vorbeikommen. Stephen war an diesem Nachmittag mit Ben nach
Cambrige gefahren, um seinen alten Tutor zu besuchen. Es war hoffnungslos, in
seiner Gegenwart potentielle Käufer herumzuführen. Er war entweder übertrieben
begeistert, was die Leute mißtrauisch machte, oder er fing an, auf all die
kleineren Reparaturarbeiten hinzuweisen, die erledigt werden mußten.
Ursprünglich hatten sie geplant, daß er schon nach New York gehen und ein Haus
für sie suchen sollte, während sie mit der Zeitung über ihre Kündigung
verhandelte, aber er war so weltfremd, daß sie befürchtete, irgendein
angeberischer Makler würde ihm eine horrende Miete für eine völlig unpassende
Immobilie aufschwatzen. Deshalb änderte sie ihre Pläne und buchte den Flug um,
so daß sie jetzt alle zusammen in den Big Apple fliegen würden. Es war besser
so.
    Sie gingen immer noch so vorsichtig miteinander
um wie damals bei ihren ersten Verabredungen. Sie wußten beide, daß etwas ganz
Besonderes auf dem Spiel stand, das sich nach und nach entwickeln mußte und
nicht erzwungen werden konnte. Eine Beziehung aufzubauen brauchte viel Zeit und
Geduld: sie wiederaufzubauen sogar noch mehr. Manchmal überwältigte sie eine
tiefe Dankbarkeit dafür, daß Stephen sie immer noch liebte. Ihre Seele zu
öffnen und jemand anderen hineinschauen zu lassen war das Schwierigste gewesen,
das sie je hatte tun müssen. Aber dadurch, daß sie sich verwundbar gemacht
hatte, schienen sie beide stärker geworden zu sein.
    Sie hatten an ihrem Tisch im River
Café gesessen und literweise Quellwasser getrunken, ohne Notiz von der
Trinkerei und dem Geturtel um sie herum zu nehmen. Das Essen mit dem
aromatischen Duft nach Minze, Holzkohle und Olivenöl, der ihnen von den Tellern
in die Nase stieg, blieb unberührt. Ihr war nicht einmal aufgefallen, daß der
Filmstar und seine Frau gegangen waren. Als während einer der endlosen Pausen,
in denen ihr Leben in die Waagschale geworfen wurde, ihr Blick an einem weit
weniger glamourösen Paar hängenblieb, das neben ihnen Platz genommen hatte,
mußte sie zweimal hinschauen.
    Als sie der Meinung war, Stephen alles
erzählt zu haben, fiel ihr auf, daß sie gerade erst angefangen hatte, und seine
intelligenten Fragen brachten Dinge zutage, die tief in ihr verborgen gewesen
und ihr ganzes Leben lang unreflektiert geblieben waren. Er hatte viel subtiler
reagiert, als sie erwartet hatte.
    Anfangs war er nicht wütend gewesen,
wie sie fast gehofft hatte, sondern traurig.
    »Ich dachte, es wäre viel schlimmer«,
sagte er.
    »Was könnte denn schlimmer sein?«
fragte sie.
    »Daß du mich verläßt.«
    Das hatte sie zum Weinen gebracht,
aber er hatte keine Anstalten gemacht, sie zu trösten. Statt dessen war er
ruhig und nachdenklich geworden, als hätte man ihm ein kompliziertes Problem
unterbreitet, über das man sehr sorgfältig nachdenken mußte. Sein Schweigen war
fast unerträglicher als das qualvolle Geständnis.
    »Es war Lias Mann, oder?« sagte er
schließlich.
    »Sie sind nicht verheiratet«,
antwortete sie sofort. Doch da sie wußte, daß sie ihm vollkommene Ehrlichkeit
schuldete, fügte sie hinzu: »Ja, es war Neil. Woher weißt du das?«
    »Das ist mir gerade eingefallen. Da
war immer eine Art Spannung zwischen euch. Das habe ich an Weihnachten gespürt.
Ich habe natürlich keinen Verdacht geschöpft...«
    »Damals haben wir auch noch nicht...«,
sagte sie stockend.
    »Und dann — natürlich!« funkte Stephen
dazwischen, als wäre ihm gerade die Lösung einer Kreuzworträtselfrage
eingefallen. »Dieses schreckliche Wochenende, als du in Paris
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