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Keine E-Mail fuer Dich

Keine E-Mail fuer Dich

Titel: Keine E-Mail fuer Dich
Autoren: Franziska Kuehne
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gelungene Kommunikation in der heutigen Zeit? Wie können wir es schaffen, uns von Maschinen unabhängiger zu machen und unser Leben wieder selbstbestimmter zu leben? Wir brauchen Qualität im Leben, damit wir uns zufrieden fühlen, doch Qualität braucht Zeit.
    Digitale Kommunikation zeigt suchtähnlichen Charakter. Smartphone-Besitzer weisen ähnliche Verhaltensweisen auf, wie Spieler, Alkoholiker oder Drogenabhängige. Nimmt man ihnen ihr kleines Gerät weg, melden sich Entzugssymptome. Es entsteht eine innere Unruhe, derjenige kann sich schwer auf etwas anderes konzentrieren. Es wird sichtbar, dass »da« etwas nicht stimmt und wie schwierig es ist, menschliche Gewohnheiten zu verändern. Wir sind einer ständigen Datenflut ausgesetzt: Auf Informationen folgen noch mehr Informationen, die auch immer schneller zu uns gelangen. Außerdem werden ständig Reaktionen auf Datenfluten verlangt, der Stresskreislauf ist nie zu Ende. Um sich gedanklich damit auseinanderzusetzen gibt es immer weniger Zeit. Wir versinken in der Quantität von Kommunikationsströmen. Wir können nur noch oberflächlich reagieren, um diese Kommunikationsflut irgendwie zu bewältigen. Der Mensch ist überfordert und überbelastet, es gibt immer weniger Zeit für Pausen. Es entsteht Leidensdruck durch ständige Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und »Informationsüberversorgung«.
    Wir haben nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung. Unsere selektive Wahrnehmung ermöglicht es uns, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Doch wir werden ständig mit zu vielen unwichtigen Informationen versorgt und konfrontiert. Aus Informationsquantität resultiert Entscheidungsunfähigkeit.
    Die Integration des Internets in unsere Lebenswelt ist uns noch nicht so gut gelungen, weil wir unsere Lebensgewohnheiten vom Computer abhängig machen. Zuerst wird sich um den E-Mail-Account gekümmert, dann um alles andere. Um alle Vorteile nutzen zu können, die uns digitale Geräte bieten, brauchen wir eine gewisse Ordnung bzw. eine Informationsqualität in den Datenströmen, die wir an uns heranlassen. Wir brauchen Selbstdisziplin, Verantwortung, Ruhe und eine klare Vorstellung der eigenen Bedürfnisse. Und wir brauchen eine eigene Auswahl, Struktur und Prioritäten, damit wir uns orientieren können. Wer sich ständig ungefiltert Informationsquantität aussetzt, wird müde, frustriert, verwirrt, intolerant, ungeduldig und quengelig. Denken wird dann schwierig. Ständiger digitaler Stress, Zeitdruck und Überforderung machen den Menschen krank, er »erstarrt«. Es beeinflusst unser Privatleben und unsere Leistungsfähigkeit. Zwar erweitern Informationen unser Wissen, aber bei einem Zuviel werden unsere kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt.
    95 Prozent der über Zwölfjährigen haben in Deutschland bereits ein Mobiltelefon, das fast immer auch mit einer Kamera und einem Internetzugang ausgestattet ist. Über soziale Netzwerke wie Facebook sind Jugendliche fast pausenlos online und miteinander vernetzt. Eine Gruppe von 350 Schülern in Mittelfranken wagte das Experiment, eine Woche ohne Handy auszuhalten. Der Schuldirektor verkündete voller Stolz, dass »wer beim gemeinsamen Abendessen nicht mehr simsen könne, sich mehr unterhalte«. Aha, welch überraschendes Ergebnis! Er erhoffe sich, »dass die Schüler wieder dazu kommen, sich direkt und nicht nur virtuell zu treffen. Gespräche von Angesicht zu Angesicht statt Kurznachrichten mit 160 Zeichen – für viele junge Menschen ist das nicht mehr Standard«. Die Schüler haben diese Woche durchgehalten, aber dabei sehr gelitten.
    An solchen Meldungen irritiert mich, dass immer nur Kindern und Jugendlichen vorgeworfen wird, sie könnten nicht vernünftig mit den neuen Kommunikationswerkzeugen umgehen. Ich stelle bei meiner Arbeit fest, dass Erwachsene das gleiche Verhalten zeigen. Obwohl sie, anders als die heutigen Jugendlichen, ohne das Internet aufgewachsen sind, den Wechsel zu diesen Kommunikationsformen also bewusst und willentlich vollzogen haben, denken sie, sie müssten permanent erreichbar sein, oder meinen, sie müssten dauernd Nachrichten über ihr momentanes Tun via Facebook oder Twitter posten, z. B. so wichtige Sätze wie »Sitze gerade in der Bahn«.
    Über die Nutzung der Neuen Medien verlieren viele Menschen den Kontakt zu sich selbst, sie sind sich ihrer selbst nicht mehr bewusst, weil sie kein direktes Gegenüber mehr haben. Ein Mensch, der mir gerade gegenübersitzt, gibt mir über seine Körpersprache
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