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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
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zum Haare-Ausraufen: In beiden Jahren hörte das Filmteam mehr als einmal die dumpfen Schläge von Horn, das hinter der nächsten Hügelkuppe laut schallend gegeneinanderkrachte. Bis sich die Männer aber in Stellung und die Highspeed-Kamera in Anschlag gebracht hatten, war der Kampf schon wieder vorüber. Es wurmte sie gewaltig, wenn sie tagelang mühsam hinter den zotteligen Verwandten der Ziegen hergezogen waren und dennoch nicht im richtigen Moment am richtigen Ort waren.
    Einmal hätten sie es fast geschafft: Sie waren nicht weit von den Bullen entfernt, die Kamera war aufgestellt und zum Einsatz bereit. Kurz darauf begannen zwei Bullen mit dem typischen Vorspiel: Drohend wackelten sie mit ihren Köpfen, taxierten den Nebenbuhler, um dann plötzlich aufeinander zuzurasen und sich die Köpfe gegeneinanderzuhauen. Die Highspeed-Kamera fügte rasend schnell die Einzelbilder zu einem Film zusammen. Es war zu schön, um wahr zu sein, doch schon beim Zusammenklappen der Stative wussten die Nautiliden, dass es vergebliche Liebesmüh gewesen war, den Startbutton der Kamera zu drücken. Ein Wolkenmeer verdeckte den Himmel und trübte lustlos alles unter sich ein. Ein Schleier aus Nieselregen vernichtete das letzte bisschen verwertbares Licht. Norwegen da oben im Herbst? Da ist schlechtes Wetter vorprogrammiert, und dann ist das Licht viel zu schwach für Zeitlupenaufnahmen. Bei 1 000 Bildern pro Sekunde ist Sonnenlicht gefragt. Trübes Licht, trübe Gedanken, frustrierende Momente.
    Später, wieder zurück in ihrer Filmschmiede in dem kleinen Örtchen Dorfen, würden sie sich die Aufnahmen anschauen, doch sie wussten schon jetzt genau, der große Wurf war ihnen wieder nicht gelungen. In diesem Jahr reiste Jan Haft tief enttäuscht ab, ohne die gewünschten Filmsequenzen eines Kampfes. Das bedeutete nichts anderes, als im nächsten Jahr im Herbst erneut anzureisen und es noch einmal zu versuchen.
    Norwegen dreht sich auf dem Erdball der Sonne entgegen. Die hellsten Sterne der Nacht funkeln den Wanderern noch zu. Keine Wolken am Firmament. So soll es sein, denn der Wetterbericht verheißt einen goldenen Herbsttag. Gut! Sie haben eine kleine Gruppe ungefähr gleich starker alter Moschusochsenbullen ohne Herde, die sich im Herbst zu einem vorübergehenden Verband zusammenschlossen, ausfindig gemacht. Bereits zwei Mal waren sie bei ihnen. Eine hochexplosive Stimmung herrschte unter den Bullen, überschwemmt von Testosteron, stehen sie wie unter Strom. Sie sind begierig danach, ihre Kräfte zu messen.
    Vom Vortag weiß das Filmteam ungefähr, wo sich die Gruppe aufhält. Und tatsächlich, sie entdecken die Moschusochsen ganz in der Nähe, noch friedlich ruhend. Oftmals kämpfen die Bullen schon in den frühen Morgenstunden, als könnten sie es die Nacht hindurch nicht abwarten, endlich loszulegen. Daher müssen die Tierfilmer lange vor Sonnenaufgang aus den Federn. Jetzt um sechs Uhr morgens suchen sie sich leise einen geeigneten Platz in knapp 100 Metern Entfernung, von dem aus sie die alten Haudegen im Blick haben, und machen sich aufnahmebereit. Man könnte meinen, die Energie der Bullen übertrage sich auf sie selbst, gäbe ihnen an diesem magischen Morgen ein Gespür dafür, dass es heute klappt. Perfekter könnten die Bedingungen nicht sein, heute muss es einfach klappen, die lange herbeigesehnte Aufnahme vom Kampf der brünstigen Moschusbullen zu bekommen.
    Jan Haft und sein Team wissen mittlerweile sehr genau, wie Moschusochsen ticken. Eine andere Gruppe mit drei neugeborenen Kälbern hatten sie über zwei Jahre verfolgt und das Heranwachsen der Jungtiere auf Film gebannt. Trotz der neugeborenen Kälber ließen die Kühe sie sehr nahe an sich heran. Vielleicht waren die Muttertiere manchmal genervt von Haft und seiner Truppe, beachteten sie jedoch nicht weiter, nachdem sie die Filmer als harmlose Zweibeiner eingestuft hatten, die ihnen nicht ans Leder wollten. An die brünstigen Bullen dürfen sie sich nicht so nah wagen. Im Kampfesrausch besteht die Gefahr, dass die gegen alles anrennen und auf die Hörner nehmen, was sich in ihrer Reichweite befindet.
    Eine kritische Situation entstand im zweiten Jahr, als Jan Haft mit dem Kameraassistenten Felix Pustal einer Herde von gut 15 Moschusochsen folgte, bei denen ein paar sehr große Bullen mit riesigem Gehörn dabei waren. Sie malten sich gute Chancen aus, in dieser Gruppe Kämpfe zwischen den zotteligen Kolossen aufzunehmen. Die Moschusochsenkarawane bewegte sich in
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