Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
rot markiert, wie er erklärte –, wich Matt langsam zurück.
    Olivias Enthusiasmus konnte auch das nicht bremsen, aber andererseits war seine Frau auch leicht zu begeistern. Sie gehörte dem seltenen Menschenschlag an, der sich gern an großen wie kleinen Dingen erfreute, womit er und seine Frau als Beweis für die These herhalten konnten, dass Gegensätze sich anziehen.
    Der Verkäufer schwafelte weiter. Matt hörte nicht mehr hin,
aber Olivia schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie stellte noch ein oder zwei Fragen, doch das war reine Formsache, und der Verkäufer wusste, dass er sie nicht nur am Haken hatte, sondern auch schon ausgenommen und geschuppt in der Pfanne und zur Hälfte verspeist.
    »Dann bereite ich schnell den Vertrag für Sie vor«, sagte Hades und stahl sich davon.
    Olivia ergriff Matts Arm und strahlte ihn an. »Toll, oder?«
    Matt verzog das Gesicht.
    »Was ist?«
    »Hast du wirklich was von Nacktfotos gesagt?«
    Sie lachte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    Natürlich war Olivias Glückstaumel – und ihr unablässiges Strahlen – nicht allein auf den Wechsel des Handy-Vertrags zurückzuführen. Der Kauf der Fotohandys war eher ein Symbol, ein Zeichen für die Dinge, die noch kommen sollten.
    Ein Baby.
    Olivia hatte vor zwei Tagen einen Schwangerschaftstest gemacht, und nach einer Prozedur, deren Durchführung in Matts Augen vor religiösen Reminiszenzen nur so triefte, war schließlich ein rotes Kreuz auf einem weißen Teststreifen erschienen. Er war sprachlos vor Überraschung gewesen. Seit sie vor einem Jahr geheiratet hatten, hatten sie versucht, ein Baby zu bekommen. Durch die ewigen Fehlschläge war der früher spontane, herrliche Akt zu einer komplexen Aufgabe mit Temperaturmessungen, Markierungen im Kalender, länger währenden Abstinenzphasen und konzentrierter Leidenschaft geworden.
    Das hatten sie jetzt hinter sich. Es war noch sehr früh, warnte er. Nur nichts überstürzen. Aber Olivias Strahlen war nicht zu übersehen. Ihre gute Stimmung war eine Macht, ein Sturm, eine Flutwelle, die alles mitriss. Matt hatte keine Chance.
    Deshalb waren sie hier.
    Fotohandys, hatte Olivia erklärt, würden ihrer bevorstehenden
Dreisamkeit ein Familienleben ermöglichen, das sich die Generation ihrer Eltern gar nicht hätte vorstellen können. Dank ihrer Fotohandys würde keiner von ihnen einen entscheidenden oder auch nur ganz profanen Moment im Leben ihres Kindes verpassen – die ersten Schritte, die ersten Worte, das übliche Treffen mit den Freunden beim Spielen, oder was sonst noch so alles passierte.
    So war es zumindest geplant.
    Eine Stunde später, als sie nach Hause zurückkehrten, gab Olivia ihm einen flüchtigen Kuss und ging die Treppe hinauf.
    »Hey«, rief Matt ihr nach, hob das Handy und zog eine Augenbraue hoch. »Wollen wir, äh, die Videofunktion ausprobieren?«
    »Das Video läuft nur fünfzehn Sekunden.«
    »Fünfzehn Sekunden.« Er überlegte, zuckte die Achseln und sagte: »Dann verlängern wir das Vorspiel eben.«
    Olivia stöhnte verständnisvoll.
    Sie wohnten in dem heruntergekommenen Viertel im seltsam beruhigenden Schatten der riesigen Bierflasche Irvingtons. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis war Matt der Ansicht gewesen, dass er nichts Besseres verdient hatte (was gut passte, weil er sich kaum etwas Besseres hätte leisten können), und trotz der Proteste seiner Familie hatte er sich vor neun Jahren hier eingemietet. Irvington ist eine abgehalfterte Stadt, deren afroamerikanischer Bevölkerungsanteil wohl bei über achtzig Prozent liegt. Manche von Matts Freunden kamen zu dem naheliegenden Schluss, dass er Schuldgefühle wegen des Verhaltens abarbeitete, das man ihm im Gefängnis aufgezwungen hatte. Matt wusste, dass es nicht so einfach war, hatte aber auch keine andere Erklärung, als dass er noch nicht in einen bürgerlichen Vorort zurückkehren konnte. Der Aufstieg wäre zu schnell gegangen, er fürchtete, sich das soziale Äquivalent der Taucherkrankheit zuzuziehen.

    Jedenfalls war dieses Viertel – die Shell-Tankstelle, der alte Eisenwarenladen, das Feinkostgeschäft an der Ecke, die Penner auf den kaputten Gehwegen, die Schnellstraßen zum Newark Airport, die versteckten Kneipen in der Nähe der alten Pabst-Brauerei – sein Zuhause geworden.
    Als Olivia aus Virginia zu ihm gezogen war, hatte er erwartet, dass sie darauf bestehen würde, sich in einem besseren Viertel niederzulassen. Er wusste, dass sie etwas anderes gewöhnt war –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher