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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten
Autoren: H Coben
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erinnerte sich noch daran, wie sie von ihrem Tod erfahren hatte. Sie hatte in der Nähe von Lake Tahoe eine ruhige
Nummer für ein Mittagspublikum getanzt. Das waren die größten Versager in der Geschichte der Menschheit. Männer mit Dreck an den Stiefeln und Löchern in den Herzen, die immer größer wurden, je länger sie nackte Frauen anstarrten. Sie hatte Candi schon drei Tage lang nicht gesehen, aber schließlich war Kimmy ja auch auf Tour. Da oben auf der Bühne hatte sie zum ersten Mal die Gerüchte gehört. Sie wusste, dass irgendetwas Furchtbares passiert war. Sie betete, dass Candi nicht darin verwickelt war.
    War sie aber.
    »Ihre Mutter hatte es schwer im Leben«, sagte Kimmy.
    Das Mädchen wartete gespannt.
    »Wissen Sie, Candi dachte immer, wir kommen da irgendwie raus. Erst hat sie gehofft, dass uns ein Kerl im Club entdeckt und da rausholt, aber das ist Schwachsinn. Ein paar Mädels haben das versucht. Es hat nie geklappt. Der Kerl sucht eine Fantasiefigur, nicht dich. Das hat deine Mutter dann auch ziemlich schnell mitgekriegt. Sie war eine Träumerin, aber sie hatte ihre Ziele.«
    Kimmy sah schweigend zu Boden.
    »Und dann?«, fragte das Mädchen.
    »Dann hat dieses Arschloch sie umgebracht, wie man einen Käfer zertritt.«
    Das Mädchen beugte sich vor. »Detective Darrow meinte, er heißt Clyde Rangor.«
    Kimmy nickte.
    »Er hat auch eine Frau namens Emma Lemay erwähnt. War sie nicht seine Partnerin?«
    »In manchen Sachen schon. Aber ich weiß nicht, ob sie daran auch beteiligt war.«
    Als Kimmy davon erfahren hatte, war sie nicht in Tränen ausgebrochen. Es hatte sie so schwer getroffen, dass sie nicht einmal weinen konnte. Aber sie war zur Polizei gegangen. Sie
hatte es riskiert und diesem verdammten Darrow alles erzählt, was sie wusste.
    So oft bezieht man nicht Stellung im Leben. Aber Kimmy wollte Candi nicht im Stich lassen, selbst wenn es zu spät war, um ihr zu helfen. Denn mit Candi war auch ein Großteil von Kimmy gestorben.
    Also redete sie mit der Polizei, vor allem mit Max Darrow. Die Täter – und sie war sicher, dass es Clyde und Emma waren – konnten ihr was antun oder sie umbringen, sie würde keinen Rückzieher machen.
    Am Ende hatten sich Clyde und Emma nicht mit ihr angelegt. Sie waren geflohen.
    Das war jetzt zehn Jahre her.
    Das Mädchen fragte: »Wussten Sie von mir?«
    Kimmy nickte langsam. »Ihre Mutter hat mir von Ihnen erzählt – aber nur ein Mal. Es hat ihr zu weh getan. Candi war damals ja noch sehr jung. Fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Sie wurden ihr direkt nach der Geburt weggenommen. Sie wusste nicht einmal, ob Sie ein Junge oder ein Mädchen waren.«
    Das Schweigen lag schwer im Raum. Kimmy wünschte, das Mädchen würde wieder gehen.
    »Was ist Ihrer Meinung nach mit ihm geschehen? Mit Clyde Rangor, meine ich.«
    »Wahrscheinlich ist er tot«, sagte Kimmy, glaubte es aber nicht. Solches Ungeziefer vergeht nicht. Es kriecht irgendwo wieder raus und sorgt für neues Leid.
    »Ich werde ihn suchen«, sagte das Mädchen.
    Kimmy sah sie an.
    »Ich will den Mörder meiner Mutter finden und vor Gericht bringen. Ich bin nicht reich, aber ein bisschen Geld habe ich.«
    Beide schwiegen einen Moment lang. Die Luft war drückend und schwer. Kimmy fragte sich, wie sie es sagen sollte.

    »Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?«, fing sie an.
    »Natürlich.«
    »Ihre Mutter hat versucht, sich dagegen zu wehren.«
    »Gegen was?«
    Kimmy fuhr einfach fort. »Die meisten Mädels geben irgendwann einfach auf. Ihre Mutter nicht. Sie hat sich nicht verbiegen lassen. Sie hatte ihre Träume. Aber sie konnte nicht gewinnen.«
    »Ich versteh nicht, was Sie meinen.«
    »Sind Sie glücklich?«
    »Ja.«
    »Gehen Sie noch zur Schule?«
    »Ich fange jetzt auf dem College an.«
    »College«, sagte Kimmy verträumt. Und dann: »Sie!«
    »Was ist mit mir?«
    »Sie sind der Triumph Ihrer Mutter.«
    Das Mädchen sagte nichts.
    »Candi – Ihre Mutter – würde nicht wollen, dass Sie in die Geschichte reingezogen werden. Verstehen Sie das?«
    »Ich glaube schon.«
    »Warten Sie.« Kimmy öffnete eine Schublade. Natürlich lag es da. Sie nahm das Foto nur noch selten heraus, aber es lag wie immer ganz oben. Sie stand neben Candi, und beide lächelten in die Welt hinein. Pic und Sayers. Kimmy schaute es sich an und erkannte, dass das junge Mädchen auf dem Foto, das damals unter dem Namen Black Magic bekannt war, eine Fremde war, als hätte Clyde Rangor auch sie totgeschlagen.
    »Nehmen Sie
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