Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
Bernie umarmt dich. Du spürst förmlich, wie die letzten vier Jahre von dir abfallen. Dein Bruder macht einen Witz. Du lachst. Zum ersten Mal nach langer Zeit lachst du wieder.
    Du hast dich schon einmal geirrt – dein Leben ist nicht in dieser kalten Nacht in Amherst zu Ende gegangen. Dein Bruder wird dir helfen, wieder zur Normalität zurückzukehren. Irgendwann wirst du sogar einer schönen Frau begegnen.

    Sie heißt Olivia. Sie wird dich wahnsinnig glücklich machen.
    Du wirst sie heiraten.
    Eines Tages – neun Jahre nachdem du durch dieses Tor gegangen bist – wirst du erfahren, dass deine schöne Frau schwanger ist. Ihr entschließt euch, Fotohandys zu kaufen, damit ihr immer in Kontakt bleiben könnt. In der Arbeit klingelt dieses Handy.
    Du heißt Matt Hunter. Das Handy klingelt ein zweites Mal. Dann gehst du ran …

Neun Jahre später

1
    Reno, Nevada, 18. April
     
    Die Türklingel riss Kimmy Dale aus ihrem traumlosen Schlaf.
    Sie drehte sich im Bett um, hustete und sah auf den Digitalwecker auf dem Nachttisch.
    11.47 Uhr.
    In Kimmys Mobile Home war es selbst mittags stockfinster. Sie wollte es so. Sie arbeitete nachts und hatte einen leichten Schlaf. Damals, als sie noch ein Star in Vegas gewesen war, hatte sie jahrelang mit Rollos, Rollläden, Vorhängen, Fensterläden und Augenbinden herumexperimentiert, bis sie schließlich eine Kombination gefunden hatte, durch die die brennende Sonne Nevadas ihr nicht mehr den Schlaf rauben konnte. Die Sonne in Reno war nicht ganz so erbarmungslos, aber auch sie fand unbarmherzig jeden Spalt.
    Kimmy setzte sich in ihrem Doppelbett auf. Der Fernsehapparat, ein No-Name-Gerät, das sie gebraucht erstanden hatte, nachdem es bei der Renovierung eines Motels aussortiert worden war, lief immer noch mit abgeschaltetem Ton. Geisterhaft verschwommene Bilder aus einer fernen Welt. Derzeit hatte sie keinen Liebhaber, aber dieser Zustand änderte sich ständig. Es hatte eine Zeit gegeben, in der jeder Besucher, jeder potentielle Partner die Hoffnung in dieses Bett gebracht hatte, es könne sich um den Richtigen handeln, ein an Wahn grenzender Optimismus, wie Kimmy in Nachhinein klar geworden war.
    Diese Hoffnung war dahin.
    Sie stand langsam auf. Die Schwellungen an der Brust von
ihrer letzten Schönheitsoperation schmerzten bei jeder Bewegung. Es war der dritte Eingriff in diesem Bereich gewesen, und sie war schließlich kein Kind mehr. Sie war dagegen gewesen, aber Chally, der glaubte, ein Auge für so etwas zu haben, hatte darauf bestanden. Ihre Trinkgelder waren kleiner geworden. Ihre Beliebtheit hatte nachgelassen. Also hatte sie zugestimmt. Aber bei der letzten chirurgischen Misshandlung war die Haut in diesem Bereich überdehnt worden. Wenn Kimmy sich auf den Rücken legte, rutschten die Mistdinger zur Seite und sahen aus wie Fischaugen.
    Wieder klingelte es an der Tür.
    Kimmy blickte auf ihre tiefschwarzen Beine hinab. Sie war fünfunddreißig Jahre alt und hatte kein Baby zur Welt gebracht, trotzdem ringelten sich die Krampfadern an ihren Waden wie Würmer auf Futtersuche. Sie hatte zu viele Jahre auf den Beinen verbracht. Vermutlich erwartete Chally, dass sie auch dagegen etwas unternahm. Ansonsten war sie ganz gut in Form, hatte immer noch eine ziemlich fantastische Figur und einen tollen Arsch, aber sie war eben fünfunddreißig und keine achtzehn mehr. Sie hatte auch leichte Cellulite. Und diese Krampfadern  … Wie eine Reliefkarte.
    Sie steckte sich eine Zigarette in den Mund. Das Streichholzheftchen stammte von ihrem derzeitigen Arbeitsplatz, einem Striplokal namens Eager Beaver. Früher einmal war sie ein Star in Las Vegas gewesen und unter dem Künstlernamen Black Magic aufgetreten. Sie sehnte sich nicht zurück nach diesen Tagen. Eigentlich sehnte sie sich nach gar keinem Tag.
    Kimmy Dale warf sich einen Morgenmantel über und öffnete die Schlafzimmertür. Das vordere Zimmer war nicht so gut abgedunkelt. Die grelle Sonne stach ihr in die Augen. Sie hielt sich die Hand vors Gesicht und blinzelte. Kimmy bekam nicht oft Besuch – sie schaffte nie zu Hause an – und vermutete, dass die Zeugen Jehovas vor der Tür standen. Im Gegensatz zu fast
allen anderen Menschen in der freien Welt hatte Kimmy nichts dagegen, wenn sie von Zeit zu Zeit vorbeischauten. Sie bat die religiös Verzückten herein, hörte ihnen gut zu, beneidete sie darum, eine Lebensaufgabe gefunden zu haben, und wünschte sich, sie könnte auf ihren Schwachsinn hereinfallen. Fast wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher