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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten
Autoren: H Coben
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auch wenn es vielleicht nicht unbedingt viel besser war. Olivia war in dem kleinen Hinterwäldlerdorf Northways in Virginia aufgewachsen. Ihre Mutter hatte die Familie verlassen, als sie noch ein Säugling war. So hatte ihr Vater sie allein aufgezogen.
    Er war ziemlich alt gewesen für einen jungen Vater. Als Olivia das Licht der Welt erblickte, war er schon 51 Jahre alt. Joshua Murray musste hart arbeiten, um für sich und seine kleine Tochter ein Zuhause zu schaffen. Joshua war der Arzt in Northways – ein Allgemeinmediziner, der sich um alles kümmerte, vom Blinddarm der sechsjährigen Mary Kate Johnson bis zur Gicht des alten Riteman.
    Nach Olivias Beschreibung war Joshua ein freundlicher Mann, ein netter und wunderbarer Vater, der außerdem noch völlig vernarrt war in seine einzige richtige Verwandte. Vater und Tochter hatten allein in einem Backsteinhaus etwas abseits der Hauptstraße gelebt. Die Praxis war in einem Anbau rechts neben der Einfahrt eingerichtet gewesen. Meistens war Olivia direkt nach der Schule nach Hause gelaufen, um ihrem Vater bei den Patienten zur Hand zu gehen. Sie hatte verängstigte Kinder aufgeheitert oder mit Cassie geschwatzt, der ewigen Rezeptionistin und Arzthelferin. Cassie war auch eine Art Kindermädchen für sie gewesen. Wenn Joshua zu beschäftigt war, hatte sie das Abendessen gekocht und Olivia bei den Schularbeiten geholfen. Olivia verehrte ihren Vater.
Früher hatte sie davon geträumt – und sie wusste natürlich, dass das hoffnungslos naiv klang –, Ärztin zu werden und mit ihrem Vater zusammenzuarbeiten.
    In Olivias letztem College-Jahr änderte sich alles. Ihr Vater, und damit die gesamte Familie, die Olivia je kennen gelernt hatte, starb an Lungenkrebs. Die Nachricht zog Olivia den Boden unter den Füßen weg. Das alte Ziel, Medizin zu studieren und in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten – starb mit ihm. Olivia trennte sich von ihrem College-Liebhaber, einem Medizinstudenten namens Doug, und zog wieder in das alte Haus in Northways. Aber es tat zu weh, ohne ihren Vater dort zu leben. Schließlich verkaufte sie das Haus und zog in ein Mietshaus in Charlottesville. Sie bekam eine Stelle bei einer Software-Firma, für die sie ziemlich viel reisen musste, was in nicht unerheblichem Maße mit dafür verantwortlich war, dass sie und Matt ihre frühere, sehr kurze Beziehung wieder aufleben ließen.
    Irvington, New Jersey, war ganz anders als Northways oder Charlottesville, Virginia, aber Olivia hatte Matt überrascht. Sie war zu ihm in dieses heruntergekommene Haus gezogen, damit sie das Geld für das inzwischen angezahlte Traumhaus schneller zusammensparen konnten.
    Drei Tage nach dem Kauf der Fotohandys kam Olivia nach Hause und ging direkt die Treppe hinauf. Matt schenkte sich ein Glas Mineralwasser mit Limonengeschmack ein und griff sich ein paar Salzstangen. Fünf Minuten später folgte er ihr. Olivia war nicht im Schlafzimmer. Er sah im kleinen Arbeitszimmer nach. Sie saß am Computer und wandte ihm den Rücken zu.
    »Olivia?«
    Sie drehte sich um und lächelte. Matt hatte das alte Klischee von dem Lächeln, das einen Raum erleuchtet, immer verachtet, aber Olivia konnte das tatsächlich. Ihr Lächeln konnte die ganze Welt aufhellen. Es war extrem ansteckend, eine Art Katalysator,
der sein Leben bunter machte, ihm ein Ziel gab und alles um ihn herum veränderte.
    »Woran denkst du?«, fragte Olivia.
    »Dass du eine echt heiße Braut bist.«
    »Sogar wenn ich schwanger bin?«
    »Besonders wenn du schwanger bist.«
    Olivia drückte eine Taste, und das Bild auf dem Monitor verschwand. Sie stand auf und küsste ihn sanft auf die Wange. »Ich muss packen.«
    Olivia musste geschäftlich nach Boston.
    »Wann geht deine Maschine?«, fragte er.
    »Ich werd wohl fahren.«
    »Wieso?«
    »Eine Freundin von mir hatte nach einem Flug eine Fehlgeburt. Das will ich einfach nicht riskieren. Außerdem muss ich morgen früh noch zu Dr. Haddon. Er will das Testergebnis überprüfen und nachsehen, ob alles okay ist.«
    »Soll ich mitkommen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du hast zu tun. Kannst ja dann beim nächsten Mal mitkommen, wenn sie eine Ultraschalluntersuchung machen.«
    »In Ordnung.«
    Wieder küsste Olivia ihn, dieses Mal länger. »Hey«, flüsterte sie. »Bist du glücklich?«
    Er wollte einen Witz reißen, wieder eine zweideutige Bemerkung machen. Aber er ließ es bleiben. Er sah ihr direkt in die Augen und sagte: »Sehr.«
    Olivia trat zurück. Durch das Lächeln
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