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Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes
Autoren: Sydney Hosier
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hätte sich wieder einmal eine Tür hinter mir geschlossen.
    Das Haus in der Baker Street warf ein gutes, wenn auch nicht stetiges Einkommen ab. Es war ein wechselhaftes Geschäft, da die Mietzeiten mit Unterbrechungen Zeiträume von zwei Wochen bis zu drei Monaten im günstigsten Fall betrugen. Ich konnte daher von Glück sagen, als zwei Herren mit der Versicherung einzogen, daß ihre Anwesenheit von Dauer sein sollte.
    Die oberen Räumlichkeiten – zwei Schlafzimmer und ein geräumiges Wohnzimmer – entsprachen ihren Vorstellungen, und so zogen sie noch am selben Tag samt ihrer Siebensachen ein. Sie hatten noch nicht lange bei mir gewohnt, als ich herausfand, daß der größere der beiden Herren über eine Persönlichkeit verfügte, die ich nur als sprunghaft bezeichnen kann. Er war mitunter zu heftigen Wutanfällen fähig, zu tiefen Phasen der Schwermut und zu bester Stimmung. Der kleinere der beiden war recht umgänglich, litt allerdings gelegentlich unter unklaren Gedankengängen. Ob dies auf eine Verletzung zurückzuführen war, die er in der Schlacht von Maiwand während seines Einsatzes als Armeearzt in Afghanistan erlitt, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall waren sie ein bei weitem lebendigeres und interessanteres Gespann als vorherige Mieter, denn sie brachten einen Hauch von Aufregung in mein recht prosaisch gewordenes Dasein.
    Der Leser wird mittlerweile vermutet haben, daß ich über keine Geringeren als Mr. Sherlock Holmes und Dr. John Watson spreche. Obwohl es Vorteile gab, derart vornehme Herren als Untermieter beherbergen zu können, so muß ich doch gestehen, daß ich nicht wenig Zeit benötigte, um mich an das klagende Geräusch einer Geige zu allen Tages- und Nachtzeiten zu gewöhnen, ebenso wie an die merkwürdigen Gerüche, die das Haus bei chemischen Experimenten durchdrangen, welche die beiden Herren zu verschiedenen Gelegenheiten gerne durchführten.
    Im Laufe der Jahre hatte Sherlock Holmes in ganz England und im Ausland einen gewissen Rang und Namen errungen, indem er die rätselhaftesten Verbrechen aufklärte, was – wie ich hinzufügen darf – in keinem geringen Ausmaße auf Dr. Watsons veröffentlichte Berichte über die sensationellsten Fälle seines Freundes zurückzuführen war. Zwar wurde ich selbst, wenn auch nur in aller Kürze, von Dr. Watson in einigen der von ihm beschriebenen Fällen erwähnt, jedoch habe ich ihm die Erlaubnis, meinen Namen zu benutzen, nie erteilt. Obwohl nun dies nicht zwingend nötig war, so hätte er doch aus allgemein üblicher Höflichkeit heraus fragen können, so wie ich es beim Verfassen dieser Geschichte getan hätte, wäre der Doktor nicht vor einigen Jahren verstorben. Wie auch immer, jene schriftlich festgehaltene Verbindung von Holmes, Watson und mir war der eigentliche Grund, weshalb ich das Telegramm einer Frau erhielt, die ich seit vielen Jahren nicht gesehen hatte: Mrs. Violet Warner.

2. Meine Reise nach Haddley Hall
     
    Das Telegramm stellte aus zweierlei Gründen ein Rätsel für mich dar. Violets kurzgefaßte Sätze liefen auf die Bitte hinaus, ich möge mich dafür einsetzen, daß Mr. Holmes aufgrund einer sehr dringlichen Angelegenheit unverzüglich nach Haddley Hall käme. Haddley Hall, kaum zu glauben! War das Geschäft der Warners im Laufe der Jahre so gediehen, daß sie sich nun einen Landsitz leisten konnten? Wie Violet selbst gesagt hätte: »Verflixt unwahrscheinlich!« Warum also Haddley Hall? Und was könnte von einer solchen Wichtigkeit sein, daß es die Dienste von Sherlock Holmes erforderte?
    Aufgrund der Dringlichkeit der Nachricht und der Tatsache, daß Mr. Holmes und Dr. Watson zu einer vierzehntägigen Reise nach Schottland aufgebrochen waren, machte ich mich am folgenden Morgen selbst auf den Weg nach Haddley Hall.
    Meine Reise war äußerst mühsam. Ich hatte einen Zug bis zu dem nächstgelegenen Dorf genommen, und da meine Ankunft auf dem Gut nicht erwartet wurde, weil ich keine telegraphische Antwort geschickt hatte, mußte ich mich nach örtlichen Transportmitteln für den Rest meines Weges umsehen. Nachdem ich in einer Teestube vor Ort einen kleinen Imbiß zu mir genommen hatte, war ich in der glücklichen Lage, auf einen Bauern mit Pferd und Wagen zu treffen, der mir versicherte, er würde auf seinem Heimweg an Haddley Hall vorbeikommen. Da der alte Bauer nicht sehr gesprächig war, fuhren wir schweigend durch eine Landschaft, wie John Constable sie gemalt haben könnte: über staubige, zerfurchte Wege und
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