Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes
Autoren: Sydney Hosier
Vom Netzwerk:
Hügel in gedämpftem Grün und düsterem Braun. Schließlich trafen wir auf eine Feldsteinmauer, der wir eine gute Viertelmeile folgten, bis wir an einem eher Unheil verheißenden, schwarzen, gußeisernen Tor ankamen.
    Der Kerl zog heftig die Zügel an, womit er das arme Tier abrupt zum Anhalten veranlaßte, und mit einem kurzen Fingerzeig in Richtung auf das Tor murmelte er: »Haddley Hall.« Da mir keine hilfreiche Hand zum Aussteigen gereicht wurde, kletterte ich so gut wie nur irgend möglich hinunter und holte mir meinen Koffer aus dem hinteren Teil des Wagens. Nach einem Abschied, der nur aus einem kurzen Kopfnicken und einem flüchtigen Berühren der Mütze mit Daumen und Zeigefinger bestand, trieb der alte Bauer das Pferd an, und zusammen setzten Mann und Tier ihren schweigsamen Weg nach Hause fort.
    Ich hatte noch einen Fußweg von gut fünfzehn Minuten auf einem Privatweg vor mir, an dessen Seiten in regelmäßigen Abständen gewaltige Pappeln im italienischen Stil landschaftlicher Gestaltung gepflanzt waren. Was mich betrifft, so hätte ich lieber gute, starke englische Eiche gesehen. Nichtsdestotrotz erreichte ich schließlich mit schmerzenden Füßen, erschöpft und mit Staub bedeckt mein Ziel.
    Haddley war ein riesiger Steinbrocken in betont einfachem Stil. Georgianisch, sagte ich mir, obwohl ich zugeben muß, daß das Erkennen unterschiedlicher architektonischer Stile keine meiner Stärken ist. Eines der Gebiete, ermahnte ich mich, denen ich mich nach meiner Rückkehr nach London etwas mehr widmen sollte. Nicht, daß meine Eltern es versäumt hätten, mir eine ordentliche Ausbildung zukommen zu lassen, aber die Pflanze des Wissens muß fortwährend gewässert werden, und ich halte eine hinterfragende Haltung für die notwendige Nahrung, wenn sie wachsen und gedeihen soll.
    Ich rühme mich damit, die Beherrschung zweier Fremdsprachen erlangt zu haben, ebenso die Kenntnis historischer Daten, das Verständnis verschiedener Bereiche der Medizin und das Vermögen, die Künste zu schätzen. In meiner Freizeit gehe ich auch der Malerei nach, meine Versuche, Öl auf die Leinwand zu bringen, verschafften mir – wie laienhaft das Ergebnis auch sein mochte – viele angenehme Nachmittage. Es wäre allerdings unrecht, wenn ich nicht mit aller Offenheit eingestehen würde, daß all mein Wissen, welches ich mir in den Jahren nach dem Ableben meines Mannes angeeignet hatte, Mr. Holmes zu verdanken war.
    Wenn er nach der Aufklärung eines besonders schwierigen Falles nicht so recht wußte, was er mit sich anfangen sollte, fühlte er sich berufen, einen Nachmittag an meinem Küchentisch zu verbringen und sich Kekse und Tee zu gönnen.
    Einmal, nachdem er die Tasse wieder abgestellt hatte, lehnte sich dieser große Mann mit seinem hageren Körper über den Tisch und ermahnte mich mit erhobenem Zeigefinger und einem strengen, sachlichen Tonfall: Wenn ich mein Verständnis der Welt als Ganzes erweitern wolle, »… dann, so glaube ich, Mrs. Hudson, lautet mein bester Ratschlag für Sie – wenn ich Shakespeare heranziehen darf –, begebt Euch in eine Bibliothek.«
    Dies war ein vernünftiger Ratschlag, den ich eifrig befolgen sollte. Leider führte dies mehrere Male zu Unannehmlichkeiten. Mitunter war ich mir der späten Stunde nicht bewußt, wenn ich mich von der Bibliothek, Kunstgalerie oder dem Museum auf den Weg nach Hause machte, so daß ich bei meiner Heimkehr Dr. Watson antraf, der im Flur auf und ab ging und etwas Dahingehendes in sich hinein murmelte, nicht zur rechten Stunde sein Abendessen serviert bekommen zu haben. Dennoch war dies eine lohnende Ausbildung, und selbst wenn die angeeigneten Kenntnisse zu nichts nutze gewesen wären, so genügte mir doch die Tatsache selbst, daß ich wußte, was ich wußte.
    Auf alle Fälle fand ich Haddley Hall sehr beeindruckend. So sehr, daß ich am Fuße der Treppe, die zum Eingang führte, zögerte und einen verstohlenen Blick auf die obligatorischen Steinlöwen auf beiden Seiten warf, die mich – wie ich fand – ihrerseits recht mißtrauisch anblickten.
    Als ich oben angelangt war, stand ich dort mit einem schief sitzenden Hut, von Staub bedeckt, und sah in jeder Hinsicht sicherlich so aus wie ein lang verloren geglaubtes und verwahrlostes Waisenkind oder, im günstigsten Fall, wie eine arme Verwandte zu Besuch.
    Nun komm schon, altes Mädchen, sagte ich mir, als nächstes siehst du noch das Gesicht Marleys in dem starr blickenden Türklopfer aus Messing.
    Bei diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher