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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum
Autoren: H Coben
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gefunden. Ich habe sie von einem befreundeten Anwalt prüfen lassen. Demnach hat dein Großvater sechs Treuhandfonds errichtet. Er hatte zwei Kinder und vier Enkel. Aber reden wir erst mal nicht vom Geld. Reden wir über Stimmrechte. Jeder von euch hat die gleiche Anzahl stimmberechtigter Aktien erhalten, wobei dein Vater die überzähligen vier Prozent für die Stimmenmehrheit zugeschlagen bekam. Auf diese Weise behielt deine Seite der Familie mit zweiundfünfzig zu achtundvierzig Prozent die Kontrolle über das Vermögen. Großvater wollte jedoch, dass alles in der Familie bleibt. Sollte einer von euch vor der Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres sterben, mussten dessen Stimmrechtsaktien zu gleichen Teilen unter den Überlebenden aufgeteilt werden. Als dein Bruder in jener Nacht des Massakers gestorben ist, bedeutete dies, dass deine Seite der Familie, du und dein Vater, in Zukunft nicht mehr die Majorität an Aktien halten konnten.«
    »Du bist ja völlig durchgeknallt.«
    »Vielleicht«, sagte Grace. »Aber jetzt im Ernst, Sandra. Was hat dich dazu getrieben? War es die Angst, erwischt zu werden – oder die Angst, die Kontrolle über das Familienunternehmen zu verlieren? Vermutlich war es eine Kombination aus beidem. In jedem Fall weiß ich, dass du Shane Alworth dazu gebracht hast, den Platz deines Bruders einzunehmen. Das ist leicht zu beweisen.
Wir graben alte Fotos aus. Wir lassen einen DNA-Test machen. Ich meine – es ist vorbei.«
    Sandras Finger entfachten einen Trommelwirbel auf der Tischplatte. »Wenn das stimmt«, sagte sie, »dann hat dich der Mann, den du geliebt hast, all die Jahre belogen.«
    »Das ist richtig. Daran gibt’s nichts zu deuteln«, erwiderte Grace. »Wie hast du ihn nur dazu gebracht?«
    »Die Frage kann doch wohl nur rein rhetorisch gemeint sein, oder?«
    Grace zuckte mit den Schultern. »Mrs. Alworth hat mir erzählt, dass sie arm wie die Kirchenmäuse gewesen sind. Shanes Bruder Paul konnten sie nicht mal das College bezahlen. Sie haben in einer Bruchbude gewohnt. Aber ich schätze, dass du ihm gedroht hast. Wenn erst mal ein Mitglied von Allaw für das Massaker verantwortlich gemacht werde, dann konnte den anderen dasselbe blühen. Vermutlich dachte er, er hätte keine andere Wahl.«
    »Komm schon, Grace. Glaubst du wirklich, ein Arme-Leute-Kind wie Shane Alworth hätte sich all die Jahre erfolgreich als mein Bruder ausgeben können?«
    »Was sollte daran schon schwierig gewesen sein? Du und dein Vater haben geholfen, da bin ich sicher. Einen Ausweis zu kriegen, war kein Problem. Du hattest die Geburtsurkunde und alle einschlägigen Unterlagen. Ihr brauchtet nur zu behaupten, seine Brieftasche wäre gestohlen worden. Die Kontrollen waren damals noch nicht so streng. Ihr habt einen neuen Führerschein, Pass und sämtliche Papiere neu ausstellen lassen. Du hast einen neuen Anwalt für den Trust in Boston aufgetan. Meinem Freund ist aufgefallen, dass der Trust plötzlich nicht mehr von einer Kanzlei in Los Angeles, sondern von einem Anwalt in Boston betreut wurde. Der hatte keine Ahnung, wie John Lawson ausgesehen hatte. Du, dein Vater und Shane, ihr seid alle mit gültigen Ausweispapieren bei ihm erschienen. Dein Bruder hatte sein Examen
an der Vermont University bereits in der Tasche, also musste er dort nicht wieder mit einem neuen Gesicht auftauchen. Shane konnte nach Europa gehen. Falls ihm dort jemand über den Weg lief, brauchte er sich nur Jack zu nennen und behaupten, er sei ein anderer Lawson. Ist schließlich kein seltener Name.«
    Grace wartete.
    Sandra verschränkte erneut die Arme. »Ist das jetzt die Stelle, wo ich zusammenbrechen und ein Geständnis ablegen soll?«
    »Du? Nein, ich denke nicht. Aber komm schon, du weißt, dass es vorbei ist. Es ist kein Problem zu beweisen, dass mein Mann nicht dein Bruder war.«
    Sandra Koval ließ sich Zeit. »Das mag ja sein«, begann sie schließlich nachdenklicher. »Aber ich kann kein Verbrechen darin erkennen.«
    »Wie denn das?«
    »Sagen wir – wieder rein hypothetisch –, du hättest Recht. Sagen wir, ich hätte deinen Mann dazu gekriegt, sich als mein Bruder auszugeben. Das ist fünfzehn Jahre her. Und verjährt. Meine Cousins und Cousinen könnten mich wegen der Sache mit dem Treuhandfonds verklagen, aber die sind nicht gerade scharf auf einen Skandal. Wir würden uns einigen. Und selbst wenn stimmte, was du behauptest, dann hätte ich kein Schwerverbrechen begangen. Wäre ich tatsächlich bei diesem
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