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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum
Autoren: H Coben
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der vier Mitglieder von Allaw es auf irgendeine Weise in ihren Fotoumschlag geschmuggelt haben musste. Warum? Eine schwierige Frage. Vielleicht war einem von ihnen klar geworden, dass die achtzehn toten Seelen niemals Ruhe geben würden.
    Dann war da noch die Frage nach dem Timing: Warum gerade jetzt? Warum nach fünfzehn Jahren?
    Mögliche Antworten gab es genug. Vielleicht wegen der Freilassung von Wade Larue. Vielleicht wegen des Todes von Gordon MacKenzie. Vielleicht wegen des Presserummels zum Jahrestag des Massakers. Die wahrscheinlichste, weil logischste Erklärung, war Jimmy X’ Rückkehr ins Musikgeschäft.
    Und wer war wirklich verantwortlich für die Ereignisse jener Nacht? War es Jimmy, weil er geistigen Diebstahl begangen hatte? Jack, weil er ihn angegriffen hatte? Gordon MacKenzie, weil er diesen verhängnisvollen Schuss aus seiner Waffe abgegeben hatte? Wade Larue, der eine illegale Waffe bei sich gehabt hatte, in Panik geraten war und einfach in eine bereits hysterische Menschenmenge geschossen hatte? Grace wusste es nicht. Kleine Ursache, große Wirkung. Hinter der Katastrophe steckte keine Verschwörung. Alles hatte mit zwei Amateur-Bands angefangen, die am selben Tag in einer Kneipe in Manchester gespielt hatten.

    Natürlich gab es noch Ungereimtheiten in der Geschichte. Viele sogar. Doch die Auflösung musste warten.
    Es gibt wichtigere Dinge als die Wahrheit.
    Jetzt, in diesem Moment, sah Grace auf Jack herab. Er lag still in seinem Krankenhausbett. Der behandelnde Arzt, ein Mann namens Stan Walker, saß neben ihr. Dr. Walker faltete die Hände und sprach mit Grabesstimme. Grace hörte zu. Emma und Max warteten draußen im Korridor. Sie wollten dabei sein. Grace wusste nicht, was sie tun sollte. Wie sollte sie entscheiden?
    Sie wünschte, sie hätte Jack fragen können.
    Sie wollte ihn nicht fragen, weshalb er sie all die Jahre belogen hatte. Sie wollte keine Erklärung dafür, was er in jener schrecklichen Nacht getan hatte. Ihn nicht fragen, ob er an jenem Strand aufgetaucht war, weil er sie gesucht hatte, ob sie sich deshalb ineinander verliebt hatten. All das wollte sie nicht von Jack hören.
    Sie wollte ihm nur eine Frage stellen: Wollte er seine Kinder bei sich haben, wenn er starb?
    Schließlich beschloss Grace, dass die Kinder bleiben sollten. Zu dritt versammelten sie sich zum letzten Mal als Familie um Jacks Bett. Emma weinte. Max hatte den Blick auf den Fliesenboden gerichtet. Und dann fühlte Grace mit einem sanften Ziehen in der Herzgegend, wie Jack für immer von ihr ging.

54
    Die Beerdigung stand ihr noch bevor. Grace trug normalerweise Kontaktlinsen. Doch an jenem Tag nahm sie sie heraus und setzte auch keine Brille auf. Alles schien leichter zu ertragen, wenn man die Umgebung nur durch einen Schleier wahrnahm. Sie saß in der ersten Kirchenbank und dachte an Jack. Sie stellte sich nicht mehr vor, wie er in den Weinbergen oder am Strand gewesen war. Der Anblick, an den sie sich am intensivsten erinnerte,
das Bild, das sie für immer bewahren würde, war Jack, der Emma nach der Geburt im Arm hielt – wie diese großen Hände das Baby gehalten hatten, voller Angst, das kleine Wunder zu zerbrechen, zu verletzen. Und wie er sich ihr zugewandt hatte mit einem Ausdruck schierer Ehrfurcht auf dem Gesicht. So war es, wie sie ihn in Erinnerung behalten würde.
    Der Rest, alles, was sie von seiner Vergangenheit wusste, war nur noch weißes Rauschen.
    Sandra Koval tauchte zur Beerdigung auf. Sie hielt sich im Hintergrund. Sie entschuldigte den Vater, der aus Altersgründen nicht kommen könne. Grace zeigte Verständnis. Die beiden Frauen umarmten sich nicht. Scott Duncan war ebenfalls da. Wie auch Stu Perlmutter und Cora. Grace hatte keine Ahnung, wie viele Leute sich versammelt hatten. Es war ihr auch gleichgültig. Sie hielt ihre beiden Kinder fest an der Hand und stand es eisern durch.
     
    Zwei Wochen später gingen die Kinder wieder zur Schule. Und natürlich gab es Probleme. Emma und Max wurden von Trennungsängsten geplagt. Das war normal. Sie wusste es. Grace brachte sie zur Schule. Sie war da, bevor die Schulglocke klingelte, um sie abzuholen. Sie litten. Das, darüber war Grace sich im Klaren, war der Preis, den man dafür bezahlte, einen liebevollen und fürsorglichen Vater gehabt zu haben. Dieser Schmerz würde bleiben.
    Doch jetzt war es an der Zeit, die Sache zu Ende zu bringen.
    Jacks Autopsie.
    Einige würden sagen, dass der Autopsiebericht, nachdem sie ihn gelesen und
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