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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Geschmeidigkeit des Lachens.
    »Ich gehe schlafen, mein Junge. Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Sie trug die Kerze bis zum Spülbecken. Dann fing sie an, Pillen aus verschiedenen Dosen und Schachteln zu nehmen. Am Ende hatte sie sieben Stück in der Hand. Beruhigungsmittel, Tranquillizer, Schlafmittel. Keine Ahnung. Sie spülte sie mit einem Glas Wasser runter.
    »Gehst du auch schlafen?«
    »Nein, Mutter. Ich setze mich noch eine Weile vor die Tür.«
    »Pass auf. Es ist stockdunkel und man kann nichts sehen. Da kann irgendeiner daherkommen und dich verprügeln und ausrauben. In diesem Viertel wird es von Tag zu Tag schlimmer.«
    »Mach dir keine Sorgen, Mutter, schlaf ruhig.«
    Sie nahm die Kerze mit. Ich tastete nach der Flasche und dem Glas und ging vor das Haus. Ich setzte mich auf den Boden. Es wehte eine hübsche Brise. Ich werde weitertrinken, bis ich müde bin und vor Schläfrigkeit fast zusammenbreche. Ich glaube, morgen gehe ich den Tätowierer besuchen. Es fällt mir schon länger schwer, mich zu entscheiden. Ich weiß nicht, ob ich mir einen schwarzen, wilden Panther tätowieren lassen soll, sprungbereit, mit gebleckten Zähnen und ausgefahrenen Krallen. Oder einen bengalischen Tiger in derselben wütenden Pose. Am linken Oberarm, nahe der Schulter.
    Ich glaube, der Tiger sagt mir mehr zu. Ein wildes Tier, wie meine Mutter sagt. Ein wilder, wütender Tiger.

Hundefraß
    Ich erwache mit einem staubtrockenen Mund, Kopfschmerzen und einem leichten Kater. Der Rum von gestern Abend war einfach zu schlecht. Dazu eine ganze Flasche. Mein Schwanz ist steif wie ein Stock. Ich streichle mich und masturbiere ein wenig. Ich denke an Flores. Meine Mutter hat recht. Mir gefallen Flittchen, ordinäre Weiber, Nutten und Scheiße. Ich stehe auf und öffne das Fenster. Ich brauche reine Luft. Na ja, an diesem Punkt im Leben sollte ich nicht so anspruchsvoll sein. Etwas Frischluft genügt. Da ist der Hinterhof mit dem Mandelbaum und dem Flamboyant. Das Morgengrauen, feucht und etwas neblig. Ich habe immer noch einen Mordsständer, aber ich werde Flores’ Versuchung nicht erliegen. Ich ahne, dass sie irgendeine Krankheit mit sich rumschleppt. Filzläuse, Tripper, Syphilis, AIDS. Wer weiß? Diese Mulattin ist eine zu große Dreckschlampe. Ich kann ihr mein Ding nicht reinstecken. O nein. Ruhig Blut, mein Guter.
    Mir gefällt dieses halb ländliche Panorama von El Calvario. Die verlassenen, grasüberwucherten Wohnklötze. Dahinter die Südautobahn und jenseits davon die endlose Ebene, unnütz und grün. Ich erinnere mich an jene langweilige Zeit vor fünfzehn Jahren. Aus meinem Appartement im vierten Stock sah man nur ein Sägewerk und ein paar andere Gebäude, alle gleich. Und ich eingepfercht in feste Zeiten und Verantwortung. Nie passierte etwas. Wir waren alle brav und anständig, gehorsam, diszipliniert. Heute ist es umgekehrt: Wir sind alle böse und unanständig. Die Frauen nuttig, die Leute zynisch und pervers. Alle in einem verzweifelten, wahnwitzigen, zügellosen Wettlauf um unseren täglichen Dollar. Man muss um jeden Preis vorwärtskommen und die Scheiße hinter sich lassen. Das ist okay. Das gefällt mir. Wenigstens ist es nicht langweilig. Und die Leute haben ihre Masken abgelegt. Kein schöner Schein mehr. Jetzt ist die Zeit des Chaos und des Wahnsinns. Krallen und Zähne, am Rande des Abgrunds.
    Ich ging ins Bad. Ich pinkelte. Mein Ständer ließ etwas nach. Zum Glück. Ich wusch mir das Gesicht. Machte Kaffee. Ich trank zwei Tassen und bekam Lust zu kacken. Ins Bad. Zum Kacken. Durch die Stimulierung am Anus bekam ich wieder einen Steifen. Soll das den ganzen Tag so weitergehen? Eine Erektion nach der anderen? Ich kackte zu Ende. Dann wusch ich mir den Hintern mit Wasser und Seife. Ich goss mir auch etwas frisches Wasser über den Schwanz. Er wurde noch härter. In letzter Zeit koche ich viel mit mexikanischen Chilis. Ob es daran liegt?
    Ich zog mich an, nahm mein Notizbuch und ging in den Hof. Ich setzte mich unter den Mandelbaum. Eigentlich wollte ich mir etwas für eine Geschichte notieren, aber ich hatte vergessen, was. Als ich darüber nachdachte, vergaß ich auch die Erektion und sie verging von selbst. Das ist es. Man muss den Geist vom Sex abziehen, sonst wird man verrückt.
    Ich habe die letzten Gedichte von Raymond Carver dabei. Armer Typ. Tess meint, das Ende seines Lebens sei gar nicht so schlimm gewesen. Ich sehe das anders. Das Ende ist immer abstoßend und beschissen. Na ja, nichts zu machen,
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