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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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die Morgenfrische, die Carver-Gedichte, die Stille, der Mandelbaum und ich. Meine Mutter hat recht: Ich führe mich auf wie ein feiner Pinkel. Meine Welt ist die Muße. Ich bin durch Irrtum arm geboren. Ich gehe in die Küche, um mir noch einen Kaffee zu holen. Meine Mutter ist schon auf. Sie fängt an zu reden. Gibt’s das? Ich halte es nicht aus, wenn man mich so früh zulabert. Es ist acht Uhr morgens.
    »Mutter, es ist nicht gut, nach dem Aufstehen so viel zu reden.«
    »Ach, Junge, du fährst doch gleich wieder, und dann habe ich niemand, mit dem ich reden kann.«
    »Red mit den Nachbarn. Lass mich lesen.«
    Ich gehe wieder hinaus in den Hof, das Notizbuch und den Kugelschreiber in der Hand. Nichts. Ich erinnere mich an rein gar nichts. Verdammte Scheiße, das war eine gute Idee! Ester, die Nachbarin von nebenan, kommt ans Tor. Sie lächelt heuchlerisch:
    »Guten Morgen, Herr Nachbar. Darf ich reinkommen?«
    »Nur zu.«
    Mit ihr kommt ein Typ herein. Ester sieht aus wie eine Tuberkulosekranke. Sie ist leichendürr und hat grauenhaft schlechte Haut. Sie muss fünfzig sein. Sieht aus wie sechzig. Der Typ ist vielleicht dreißig. Oder etwas drüber. Sie steht auf junge Kerle. Er ist wohl ihr Stecher. Sie kommen näher. Sie sagen Guten Tag. Ester stellt uns vor und tut so, als wären wir dicke Freunde:
    »Also, Ismael, das ist mein alter Nachbar. Wir kennen uns schon ewig. Du kannst mit ihm ganz offen sprechen.«
    Ismael holt einen Stempel aus Eisen hervor. Er hat ihn in ein paar Lappen eingewickelt. Er kramt ihn heraus und hält ihn mir unter die Nase. Dazu hat er mehrere Ein-Peso-Münzen mitgebracht.
    »Schau her, Kumpel, das ist ein Superdeal. Mit diesem Stempel hab ich dreihunderttausend Münzen geprägt. Dreihunderttausend Pesos in zwei Jahren. Er ist perfekt.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Da hättest du über vierhundert Münzen pro Tag prägen müssen.«
    »Na und? An manchen Tagen waren’s tausend. Ich allein, Alter, ohne jede Hilfe. Wenn du den Dreh raushast, geht das superschnell. Und leicht.«
    »Wenn er so toll ist, warum willst du ihn dann verkaufen?«
    »So halt. Probleme, die einem das Leben bringt. Ich hab meine Frau verlassen. Und die Fotze ist zu den Bullen und hat mich angezeigt.«
    »Und jetzt sind die Bullen hinter dir her?«
    »Vergiss es. Schau her, wenn du willst, führ ich ihn dir schnell vor, und ich mach dir ‘nen guten Preis. Ich kann ihn dir für …«
    »Das ist kein Geschäft für mich, Kumpel.«
    »Ich verkauf ihn dir für siebenhundert Dollar.«
    »Spinnst du?! Siebenhundert?! Das plus die siebenhundert, die ich nicht hab, macht schon tausendvierhundert.«
    »Ich erklär dir, wie das mit der Legierung geht, dann schlägst du sicher ein. Das amortisiert sich doch in ein paar Monaten von selbst, Alter. Man nimmt Blei und Kupfer. Oder Blei und Bronze. Und die lässt man liegen, bis sie rosten und anlaufen. Ich sag dir, die Sache ist perfekt.«
    »Und ich sag dir, dass ich so was nicht mache. Ich bin nicht interessiert.«
    Ester mischt sich ein.
    »Hör mal, junger Freund, das ist ein Geschenk der Götter, was er dir da anbietet. Wir richten bei mir die Werkstatt ein, und ich arbeite mit. Als gleichberechtigte Partnerin. Ich hab kein Geld, um den Stempel zu bezahlen, aber …«
    »Nichts aber, Ester. Ich will keinen Ärger mit der Justiz. Weißt du, was auf Falschmünzerei steht? Fünfundzwanzig Jahre Knast. Und überhaupt, sagt ja zu keinem, dass ihr mit mir auch nur geredet habt. Ich weiß von nichts …«
    Meine Mutter kam raus in den Hof. Stinksauer lief sie auf uns zu.
    »Ester, verlass sofort meinen Hof! Wer hat dich hier reingebeten? Ich will bei mir keine Leute, die’s mit dem Teufel haben. Raus!«
    Ester antwortete nicht. Sie drehte sich nur um und rauschte ab. Ismael packte seinen Stempel ein und sah mich an, in Erwartung einer Antwort.
    »Nee, Kumpel, ich will damit nichts zu tun haben.«
    Meine Mutter keifte immer noch herum.
    »So eine schamlose Bande!«
    Der Typ zog ein Goldkettchen heraus und hielt es mir hin.
    »Komm schon, Freund, kauf mir das hier ab. Das sind achtzehn Karat, dreiundzwanzig Gramm. Ich mach dir’n guten Preis.«
    Meine Mutter schubste ihn beiseite.
    »Hauen Sie auch ab, Sie mit Ihrer Teufelsfrau! Raus hier! Verkauft Diebesgut!«
    Sie schubste ihn bis ans Tor und hinaus auf die Straße. Sie war jetzt völlig außer sich. Ich wartete, bis sie sich beruhigt hatte, bevor ich etwas zu ihr sagte. Vermutlich ging es um
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