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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Stein. Er drohte ihr:
    »Gib mir’n Peso oder ich bewerf dich mit Steinen!«
    »Also hör mal, Kleiner!«
    »Ich knall dir die Steine ans Bein, Scheiß-Alte! Gib mir’n Peso, du hast doch Kohle.«
    Meine Mutter schaffte es über die Straße. Sie sah erschrocken aus. Ich ging hinaus, um mir den kleinen Angreifer vorzuknöpfen. Ich nahm ihm die Steine weg und drohte ihm meinerseits:
    »Lass dich von mir nicht noch mal bei so was erwischen. Sonst sag ich’s deinem Papa.«
    »Den kannste ja gar nie sehen! Mein Papa ist im Gefängnis, weil der is’n echt harter Typ!«
    »Dann geh ich eben zu deiner Mama, und die zieht dir die Ohren lang.«
    »Meine Mama zieht mir gar nich die Ohren lang und du bist’n blöder Scheißkerl.«
    »He, benimm dich. Ich bin der Sohn von der Dame hier. Benimm dich, sonst hol ich die Polizei.«
    Der Kleine senkte den Kopf. Er sagte nichts mehr und machte ein paar Schritte rückwärts, um außerhalb meiner Reichweite zu kommen. Dann griff er sich wieder einen Stein. Er ging noch etwas weiter weg und rief:
    »Du wohnst ja gar nich hier. Wenn du weg bist, muss sie mir’n Peso geben. Oder ich knall ihr’n Stein an den Kopf.«
    Ich drehte ihm den Rücken zu und ging ins Haus. Irgendwann würde er schon von seinem Wegelagerer-Trip herunterkommen. Meine Mutter sagte:
    »Der Kleine ist erst vier. Er hat gesehen, wie ich seiner Mutter das Geld für die Wette gab, und da ist er mir mit den Steinen hinterhergelaufen.«
    »Seine Mutter ist die, die die Bolita-Wetten annimmt?«
    »Ja.«
    »Dann geh nicht mehr hin.«
    »Ach was? Soll ich etwa Angst vor so einem vierjährigen Banditen haben?«
    »Das Viertel hier wird allmählich übel.«
    »Es wird jeden Tag schlimmer, mein Junge. Du weißt es bloß nicht, weil du immer nur kurz da bist und wieder gehst.«
    Ich trete vor das Haus, um etwas frische Luft zu schnappen. Drinnen herrschen Hitze, Staub, Feuchtigkeit, Moskitos. Und ich fühle mich von dem ständigen Geschwätz meiner Mutter eingeengt. Sie hat Angst. Sie hat immer Angst. Und ich weiß nicht, wie ich sie ihr austreiben könnte. Jetzt ist es ruhig im Viertel, und man hört Musik in den Häusern. Ein dünner zunehmender Mond lugt über die Dächer und Bäume.
    Ich ging in die Küche. Holte mir eine leere Flasche. Überquerte die Straße und betrat das Mietshaus gegenüber. Ich fragte in zwei oder drei Appartments. Man kennt mich dort nicht. Und ich sehe jeden Tag mehr wie ein Bulle aus: grob, brutal und ohne Freunde. Alle sagen mir, sie hätten keinen Rum. Ich weiß, dass hier jeder Rum, Zigarren, Marihuana, Koks verkauft und illegale Lottowetten annimmt. Und noch mehr, vieles mehr. Es ist ein dreckiges, stinkendes Loch voller Kakerlaken und Scheiße. In einem Zimmer sitzt ein einsamer alter Schwarzer. Ich stecke den Kopf durch seine Tür:
    »Guten Abend.«
    »N’Abend.«
    »Ich bin der Sohn von der Nachbarin gegenüber.«
    »Ach, Sie sind der, der in Havanna lebt?«
    »Genau. Wissen Sie, ob hier jemand Rum verkauft?«
    »Da nebenan gibt’s welchen. Und von dem guten.«
    »Die haben mir gesagt, sie hätten keinen.«
    »Hehehe, weil sie Sie nicht kennen, mein Sohn. Sie sind ja nicht aus dem Viertel.«
    Der Alte klopfte gegen die Holzwand und rief:
    »Flores, verkauf dem guten Mann was, der kommt von mir.«
    »Danke, Señor.«
    Ich steckte den Kopf durch die nächste Tür. Flores war eine dralle Mulattin. Eine Kugel aus Hintern, Titten und Lebensfreude. Gutmütig und aufreizend. Sie sah mich an und lachte. Sie hatte keinen BH an, und ihre großen Brustwarzen zeichneten sich deutlich ab. Sie trug ein rotes Lycra und ein kleines weißes Top, das den Nabel freiließ. Alles eng anliegend und winzig. Das Fleisch bebte und sprang einem ins Auge. Mit einer solchen Frau lebt man vierundzwanzig Stunden am Tag wie in einem Porno. Pornografie pur. Und am Ende ist man fix und fertig. Das gefällt mir. An irgendwas muss man ja sterben.
    Flores streckte die Hand aus, nahm die Flasche und holte einen Plastikbehälter aus der Ecke. Und in dem Augenblick fiel der Strom aus. Wir blieben im Dunkeln zurück. Die Mulattin rief:
    »Verdammte Scheiße, Mensch! Schon wieder Stromausfall! Ich weiß nicht, was sich diese Arschlöcher denken. Wie lang denn noch?!«
    Ich kramte in meiner Tasche nach dem Feuerzeug. Ich hatte keines dabei. Die Frau hatte auch keine Streichhölzer. Sie machte einen Schritt, und wir stießen zusammen. Ich fühlte ihre harten, festen Brüste an meinem Arm. Sie nutzte die Gelegenheit, ihre Titten
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