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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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verkaufen dort Brathähnchen, Hot Dogs, Bier und Erfrischungsgetränke.
    Wenn mich das Billard zu langweilen beginnt, gehe ich rüber und esse etwas. An jedem zweiten Tag traf ich dort Lena. Sie hatte eine endlos lange Schicht, sechzehn Stunden am Stück. Jeden zweiten Tag. Von sieben Uhr morgens bis elf Uhr abends. Sie ist eine sehr dünne Frau, etwas über dreißig. Übermäßig dünn. Ich glaube, sie hungert, trotz der Hähnchen und Pommes Frites, die sie brät. Sie ist ziemlich hellhäutig und hat kurze, blond gefärbte Haare, blaugrüne Augen und einen großen, lächelnden Mund, und sie ist umgeben von einer gewissen Aura aus Gelassenheit-Melancholie-Traurigkeit-Unerschütterlichkeit.
    Seit ich sie das erste Mal sah, hatte ich den Eindruck, dass sie in derselben Lage war wie ich: groggy, im Ohr die Stimme des Ringrichters, der einen nach dem Niederschlag anzählt, während man versucht sich aufzurappeln.
    Wir gefielen einander auf Anhieb. Mehr war nicht. Magnetische Anziehung. Kein Schritt mehr. Aber es war nett, bis dahin zu kommen. Mir schien, dass sie sich sehr entspannte, wenn sie sah, wie ich aus der Billard-Bar kam, die Straße überquerte und auf die Cafeteria zuspazierte. Es sind immer wenige Kunden da. Oder gar keiner. Ich lehnte mich dann gegen den Tresen, bestellte ein Bier, und wir unterhielten uns. Sie ist aus San Miguel del Padrón, einem Vorort von Havanna. Dort leben die Leute ein zwangloseres Leben. In Zentral-Havanna laufen viele mit unterdrückter Wut herum. Zorn, Verzweiflung, Aggressivität. Das ist ansteckend. Du gewöhnst dich daran, mit scharfen Eckzähnen und Krallen zu leben, bereit, den Erstbesten zu zerreißen, der dich schief anschaut. Vielleicht rede ich deshalb so gern mit Lena. Wegen ihrer Entspanntheit, ihrer Langsamkeit, dieser melancholischen und sanften Ausstrahlung. Sie erzählte mir aus ihrem Leben:
    »Eigentlich heiße ich Elena, aber sie haben mich von klein auf Lena genannt.
    Meine Großeltern stammten aus Polen. Mein Vater wollte mir immer Polnisch beibringen, aber es gefällt mir nicht. Es ist sehr schwer.
    Ich habe zwei Söhne im Alter von acht und zehn. Ich lebe mit ihnen und meiner Mutter zusammen. Mein Vater ist tot.
    Ich habe fünfzehn Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet, aber ich habe vor Jahren aufgehört. Hier verdiene ich ein bisschen mehr.«
    Ich trank Bier und betrachtete mit Verlangen ihre schönen Augen und ihren großen Mund. Ich stellte sie mir nackt vor. Sie muss heiß sein und scharf auf ‘nen harten Schwanz. Die kleinen Dünnen sind lebhaft und genießen, was sie bekommen. Vielleicht ist das nur ein Vorurteil gegenüber dicken Frauen. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich nie mit einer Dicken gevögelt. Mit Vollschlanken ja. Und Schwangeren noch besser. Aber mit so richtig Dicken – nein.
    Jedenfalls haben wir uns ein paar Mal gesehen. Immer durch den Tresen getrennt. Wenn irgendein Kunde kam, verstummte sie, nahm wieder ihre distanzierte Haltung ein und hörte auf zu lächeln.
    Einmal bat ich sie, eine Stunde früher Schluss zu machen, um sie woandershin einladen zu können, was trinken und uns in Ruhe unterhalten.
    »Ich kann nicht.«
    »Hast du ‘nen Freund?«
    »Ich bin allein.«
    »Würdest du dich gern ungestört mit mir unterhalten?«
    »Äh … na ja …«
    »Was na ja?«
    Sie senkte den Blick, überlegte einen Moment und sagte leise:
    »Ich habe mich vor kurzem vom Vater meiner Kinder getrennt.«
    »Wart ihr lange verheiratet?«
    »Zwölf Jahre … zwölf Leidensjahre.«
    »Wird wohl nicht alles nur Leiden gewesen sein. Mach keine Tragödie daraus.«
    »Er war zu sehr hinter den Frauen her.«
    »Wir sitzen im selben Boot. Ich habe mich auch vor kurzem getrennt.«
    Wir verfielen in Schweigen. Plötzlich sah sie mich mit einem ganz schelmischen Lächeln an und sagte:
    »Lass uns einfach nur Freunde sein. Ich will keine Männerhand auf mir spüren.«
    »Immer mit der Ruhe, kein Problem. Ich bin einer von der langsamen Sorte.«
    »Machst aber nicht den Eindruck. Du gehst ganz schön ran.«
    »Siehst du, der Schein trügt eben.«
    »Ich werf dir mal ein paar Fritten in die Pfanne, dass du noch was vom Abend hast.«
    »Leg ein Stück Hähnchen dazu.«
    »Nein, das Huhn liegt schon zu lang im Kühlschrank. Iss einfach nur ein paar Fritten.«
    »Umsorgst du mich etwa?«
    Sie sah mich lächelnd an und antwortete nicht. Mir war, als würde sie einen Ehemann brauchen, aber ich machte keinen Mucks.
    Als sie die Pommes Frites in der Fritteuse
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