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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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hatte, lehnte sie sich wieder an den Tresen und sah mich fest an. Sie hatte eine besondere Art von Hingabe. Diese Augen und dieser Mund versprühten Östrogen. Sie waren wie ein Spray aus Östrogen pur, und ich spürte, wie es in wenigen Sekunden meine Testosterone erreichte und in Erregung versetzte. Ich sah Lena an, und vor mir erstand das perfekte Bild: Wir lagen aufeinander und liebten uns und trieben es wie die Wilden. Es konnte nicht sein, verdammt, es konnte nicht sein! Ich brauchte einen einsamen Urlaub. Warum nur tauchen immer wieder neue Frauen auf? Werde ich noch zu einem lächerlichen, lüsternen alten Knacker, der ständig die Frau wech selt? Der von einem Flittchen zum nächsten springt? Ach, Scheiße.
    Jedenfalls ließ sie die Fritten vor sich hinbraten, sah mich auf diese besondere Weise an und sagte lächelnd:
    »Du siehst aus wie Dick Tracy. Hat dir das noch niemand gesagt?«
    »Hahaha. Red keinen Blödsinn, Lena.«
    »Im Ernst. Hast du den Film nicht gesehen?«
    »Nein.«
    »Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Als Kind habe ich immer Dick-Tracy-Hefte gelesen. Ich fand die super. Ein bisschen absurd.«
    »Das Leben ist absurd.«
    Diesen letzten Satz sagte sie in tiefem Ernst. Dann wandte sie sich wieder den Pommes Frites zu. Manchmal habe ich seltsame Wahrnehmungen. In diesem Moment sah ich, dass Lena eine unerträglich schwere Last auf dem Rücken trug:
    »Du bist zu gefügig, Lena.«
    »Es ist schlecht, wenn man sich nicht fügt. Man muss dafür teuer bezahlen.«
    »Es ist sehr gut, wenn man sich nicht fügt, auch wenn man es teuer bezahlt. Das Schlechte ist, wenn man ein Lamm ist.«
    Sie antwortete nicht und richtete die Pommes Frites auf einem Teller an. Sie salzte sie und stellte sie vor mich hin.
    »Es ist gefährlich, ein Lamm zu sein, Lena. Du schleppst eine zentnerschwere Last mit dir herum. Und die kann dich so lange drücken, bis sie dich zer quetscht. Steh auf und tu was dagegen.«
    »Ach, du liebe Zeit! Woher weißt du das?«
    Und sie musterte mich mit ihren grünen Augen, die so sanft und zärtlich waren.
    »Gib mir noch ein Bier, Lena.«
    »Willst du mir nicht antworten?«
    »Kann ich dich demnächst mal abends auf ein Bier einladen?«
    »Ich trinke nicht.«
    »Nie?«
    »Vielleicht mal ein Bier auf einem Fest. Aber nur eins.«
    »Und was ist mit Rauchen?«
    »Das finde ich eklig.«
    »Du bist die Frau, die ich brauche.«
    Sie wurde rot wie ein junges Mädchen. Ob das ehrlich war? Frauen sind geborene Schauspielerinnen.
    »Kann ich dich zu Hause besuchen?«
    »Ja, warum nicht?«
    »Bringt es dich in Schwierigkeiten, wenn ich zu dir komme?«
    »Du kannst als Freund kommen, mehr nicht.«
    In diesem Augenblick unterbrachen uns ein paar Kunden. Sie musste sie bedienen. Gleich darauf kamen noch andere herein. Ich wartete eine Stunde lang. Die Cafeteria war brechend voll. Wir konnten nicht weiterreden. Als ich gehen wollte und zahlte, sagte ich:
    »Ich seh dich morgen wieder hier. Wir haben noch was zu besprechen.«
    Sie lächelte sanft und nickte zustimmend.
    Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf aus El Calvario und fuhr für eine Woche zu meiner Mutter. Dann reiste ich mit einem Kumpel nach Batabanó weiter, um an der Küste Langusten zu fischen. So kam ich erst fünfzehn Tage später wieder nach Guanabo. Ich war ziemlich spitz, und mein Herz schlug schneller, wenn ich an Lena dachte. Also ging ich sie suchen. An ihrer Stelle stand eine junge, gesunde, sehr hübsche Mulattin mit vollen Lippen, dezent geschminkt, Goldstaub auf den Wangen.
    »Guten Abend. Ein Bier, bitte.«
    Sie stellte das Bier vor mir auf den Tresen und sagte:
    »Das Brathähnchen ist ausgezeichnet. Möchten Sie eine Portion?«
    »Das Hähnchen ist seit einem Monat im Kühlschrank und taugt nichts.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich bin Hellseher.«
    Sie zog eine verächtliche Schnute, drehte sich um und beendete das Gespräch. Ich winkte sie noch mal her.
    »Ja?«
    »Wann hat Lena Schicht?«
    »Die arbeitet nicht mehr hier.«
    »Ach was.«
    »Doch, doch.«
    »Und wo arbeitet sie jetzt?«
    »Keine Ahnung. Sie sind der Hellseher. Sie werden’s ja wohl selber wissen.«
    »Nein, Mädchen. Sei so gut. Im Ernst jetzt … Lena und ich, wir sind … Freunde, und … hast du ihre Adresse? Ihre Telefonnummer? Irgendeinen Kontakt?«
    »Ich weiß, dass sie in San Miguel del Padrón wohnt.«
    »Ja, aber das ist ein Riesenviertel.«
    »Ja.«
    »Was ist überhaupt passiert?«
    »Da gab’s ein kleines Problem. Es haben
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