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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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mir ein Gewehr geben, um das Vaterland vor einem Angriff zu verteidigen:
    »Nimm ‘nen Schluck, das ist was für echte Männer.«
    Ich probiere das Zeug. Warfarin. Ich muss mich fast übergeben. Es ist was für Männer mit einer Leber aus Stahl. Ich betrete das Häuschen. Miriam gibt mir einen ziemlich flüchtigen Kuss und kocht weiter: weißen Reis, zwei Kochbananen und zwei Spiegeleier. Luis besteht darauf, dass ich mitesse. Ausgeschlossen. Was die beiden haben, reicht nicht mal für sie. Ich bin in einem ungünstigen Moment gekommen. Luis bietet mir abermals die Flasche an. Ich tue so, als würde ich trinken. Ich benetze mir nur die Lippen. Er trinkt weiter in tiefen Zügen. Inzwischen ist er sturzbesoffen. Er versucht, ein Gespräch mit mir anzufangen, kann seine Gedanken jedoch nicht ordnen:
    »Heut hab ich angefangen … ‘ne Wand verputzen … bei ‘nem Kumpel … der zahlt mir …«
    Er bleibt hängen und starrt ins Leere. Er sieht aus wie hypnotisiert. Miriam sagt:
    »Luis, geh ins Bett.«
    Er sieht sie an, völlig groggy. Er bekommt keine Antwort heraus. Sie packt ihn am Arm, um ihn ins Schlafzimmer zu führen. Er schüttelt sie ab und stammelt etwas vor sich hin:
    »Lass mich, lass … Ein Mann braucht kein …«
    Er lehnt sich gegen die Wand. Seine Knie geben nach, und er rutscht zu Boden wie ein Putzlappen. Er schließt die Augen und bleibt schlaff auf dem feuchten Boden liegen. Seine Kleidung und die Schuhe sind schlamm- und zementverschmiert. Miriam bedeutet mir, still zu sein. Sie schließt die Tür zum Hof. Tatsächlich ist es der einzige Eingang zum Haus. Sie schaltet das Licht und den Fernseher aus. Dann fasst sie mich an der Hand und zieht mich zum Bett. Sie küsst mich. Wir küssen uns, aber ich mache mir Sorgen:
    »Miriam, und wenn Luis …«
    »Bis morgen kriegt der die Augen nicht wieder auf. Mach dir keine Gedanken. Das Wahrscheinlichste ist, dass er erst mittags wach wird. Es wird jeden Tag schlimmer. Aber vergiss das jetzt, mein Schatz …«
    Wir machen es ohne Eile und ohne laut zu werden, ganz sanft. Sie ist eine wundervolle Schwarze. Zwischen uns ist seit langem alles geklärt, aber wenn wir vögeln, überkommt uns eine Leidenschaft, die uns in Verwirrung stürzen könnte. Ich versuche mich zu beherrschen und kühl zu handeln. Ich will kein weiteres Durcheinander. Wenigstens nicht jetzt. Wir sind in zwanzig Minuten fertig. Ein stiller, diskreter Quickie, ohne große Choreographie. Außerdem knarzt das Bett zu sehr. Luis könnte wach werden. Wir ruhen uns kurz aus und ziehen uns an.
    Miriam schaltet das Licht wieder ein und öffnet die kleine Tür zum Hof. Luis schnarcht mit offenem Mund. Der Sabber läuft ihm übers Gesicht und tropft auf den Boden. Er war immer ein kräftiger Schwarzer, breitschultrig, groß und gutaussehend. Mir scheint, er hat in letzter Zeit stark abgebaut. Ich sage das zu Miriam:
    »Luis ist dünn geworden.«
    »Klar, er isst ja nie was und trinkt jeden Tag eine Flasche von diesem Fusel.«
    »Wenn er so weitermacht, bringt ihn das um.«
    »Hoffentlich stirbt er, bevor ich ihn umbringe.«
    »Ach, red doch keinen Unsinn, Miriam.«
    Sie starrt mich an und sagt:
    »Ich habe einen solchen Hass auf ihn. Wenn ich ihn so sehe, würde ich ihm am liebsten mit einem Stein den Kopf einschlagen, bis ihm der Schädel in Stücke springt.«
    »Miriam, verdammt, red nicht so ein Zeug! Damit beschwörst du nur, dass Blut und Unglück über dich kommen.«
    »Wenn ich das Land irgendwie verlassen könnte, bei meiner Mutter, ich würde ihn umbringen und seelenruhig abhauen. Ohne Gewissensbisse.«
    »Du weißt nicht, was du da sagst.«
    »Das weiß ich sehr wohl. Ich hätte nicht schlecht Lust, aus der Welt zu verschwinden. Manchmal bekomme ich Lust, mich umzubringen. Ich traue keinem mehr und will keinerlei Bindung mehr eingehen, ahh … du kannst dir nicht vorstellen, was mir alles durch den Kopf schwirrt.«
    »Du hast einen Dachschaden. Du weißt ja gar nicht, was du redest.«
    »Weißt du etwa, was es bedeutet, fünfzehn Jahre lang mit diesem Schwachkopf zu leben? Manchmal glaube ich, das geht jetzt den Rest meines Lebens so weiter, und dann bekomme ich eine mörderische Depression.«
    »Geh von hier weg und verlass ihn. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, beklagst du dich, aber du tust nichts.«
    »Was soll ich denn tun?«
    »Du kannst zu einer von deinen Schwestern ziehen.«
    »Glaubst du, ich hab mir das nicht überlegt? Aber da gab’s andere Probleme. Die haben alle ihr Leben und
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