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Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Titel: Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
Autoren: Ephraim Kishon
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die Kritiker werden Ihre Sprechkultur und Ihre klare Diktion preisen, und Sie sind ein gemachter Mann.
    Wenn keine Klassiker, dann wenigstens Brecht. Die bläßliche, temperamentlose Interpretation, die Sie Ihrer Rolle angedeihen lassen, wird von den Experten als vorbildliche »Verfremdung« erkannt und gelobt werden. Auch das ist ein zuverlässiger Weg zum Erfolg.
    Hingegen sollten Sie sich unbedingt von den Stücken noch lebender Autoren fernhalten, insbesondere von Uraufführungen. Bei solchen Originaldarbietungen laufen Sie Gefahr, für die privaten Versionen der Kritiker gegen den Autor büßen zu müssen. Die beiden sollen sich untereinander ausmachen. Sie selbst haben da nichts verloren.
    Soviel zur Problematik der Stücke. Jetzt zu den Rollen. Stanislawski soll einmal gesagt haben: »Es gibt keine kleine Rollen, es gibt nur kleine Schauspieler.« Kann sein. Aber Stanislawski ist tot, und Sie leben. Deshalb sollten Sie sich möglichst große Rollen aussuchen, Rollen mit viel Text, mit noch mehr Text, Rollen, in denen Sie fast unausgesetzt auf der Bühne stehen und reden, während die anderen dazu verurteilt sind, Ihnen hingerissen zu lauschen.
    Sie müssen auch lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, junger Mann. Bevor Sie sich mit einem Textbuch vertraut machen -das heißt: mit den Szenen, in denen Sie vorkommen -, untersuchen Sie Ihre Rolle auf Umfang und Monolog-Gehalt. Monologe sind erstrebenswert, aber der Gesamtumfang bleibt entscheidend. An einem fortschrittlich ausgerichteten Theater, und es gibt fast nur noch solche, gilt die marxistische Theorie vom Umschlag der Quantität in Qualität. Wenn Sie zwischen einer großen kitschigen und einer kleinen, künstlerisch wertvollen Rolle zu wählen haben, wählen Sie die große kitschige. Sollte eines Tages Sir Laurence Olivier in einer Dramatisierung der »Brüder Karamasow« einen Gerichtsdiener spielen, dann können Sie sich die Sache nochmals überlegen. Bis dahin laute Ihr Motto: »Kleine Rollen gibt es nur für kleine Schauspieler.«
    Selbstverständlich müssen Sie die Art des von Ihnen darzustellenden Charakters sorgfältig prüfen und dürfen sich nicht von Äußerlichkeiten hinters Licht führen lassen. Übernehmen Sie niemals - hören Sie, junger Mann: niemals - die Rolle eines jungen, gutaussehenden, ehrlichen, sympathischen und womöglich reichen Mannes, der obendrein - fast schäme ich mich es auszusprechen -auch noch verliebt ist. Eine solche Rolle kommt einem Todesurteil gleich. Im wirklichen Leben ist man entweder jung oder reich oder gut aussehend oder ein Schauspieler, aber man kann unmöglich alles auf einmal sein. Versucht man's trotzdem, dann kommt ein hohler, hölzerner Popanz heraus, der dem Publikum maßlos auf die Nerven geht. Verkörpern Sie alte Menschen, junger Mann, oder häßliche oder primitive. Schönheit ist dilettantisch, Häßlichkeit ist künstlerisch. Alle internationalen Schauspielerpreise gehen seit Jahren an Darsteller von Trunkenbolden, Wahnsinnigen oder sexuell Abseitigen. Das wirkt.
    Da wir körperliche Gebrechen erwähnt haben: Sie sollten sich einen kleinen Sprachfehler zulegen, ein leichtes Stottern, ein verquältes Atemholen. Nichts klingt auf der Bühne so unnatürlich wie eine natürliche Ausdrucksweise. Man ist auch besser in Lumpen gekleidet als in einen Anzug nach Maß. Man tut besser, schwach und herabgekommen auszusehen, als vor Gesundheit zu strotzen. Als Blinder haben Sie das Publikum sofort für sich, als Hinkender, Zitternder oder gar Taubstummer spielen Sie das gesamte Ensemble an die Wand. Ein rauschgiftsüchtiger Mörder, der in finsterer Nacht aus dem Gefängnis flieht, um die verwaiste Tochter seines Opfers zu adoptieren, wird sich den Zuschauern für alle Zeiten einprägen. Eine etwa nachfolgende Vergewaltigung der adoptierten Tochter macht ihn zum aussichtsreichen Anwärter auf den Schauspielerpreis der Stadt Tel Aviv, und wenn er sich nach vollzogener Vergewaltigung freiwillig den Behörden stellt, hat er gute Chancen, nach Hollywood engagiert zu werden. Im
    Falle eines Freispruchs - weil sich herausstellt, daß die adoptierte Waise seit Jahren als Prostituierte tätig ist - sind seiner Karriere überhaupt keine Grenzen mehr gesetzt.
    Nehmen Sie sich das zu Herzen, junger Mann. Das Leben gehört den Debilen und Defekten. Sie sind es, denen die allgemeine Zuneigung gilt. Die Starken und Gesunden sorgen für sich selbst. Spielen Sie Diener und keine Herren, einfache Soldaten und keine Offiziere,
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