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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet
Autoren: Jakob Arjouni
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der erste Mensch, den ich eigenhändig umgebracht hatte.
    Ich betastete seine Brust. Immerhin, auch er trug eine kugelsichere Weste. Wären als nicht tödliches Ziel nur die Beine geblieben. Ob er, wenn ihm rechtzeitig klargeworden wäre, daß er seinen Gegner am Rumpf nicht verletzen konnte, meinen Kopf verschont hätte? Und hinderten verletzte Beine in einer Situation auf Leben und Tod am Weiterschießen?
    Ein Streifen schwaches gelbes Licht fiel in den Saal. Als ich den Kopf wandte, stand Romario neben mir. Das Licht kam von einer Straßenlaterne hinterm Küchenfenster. Romario hatte den unverbundenen Arm um sich geschlungen, als friere er. Mit zusammengekniffenen Lippen betrachtete er die Leiche.
    Ich räusperte mich. »Tja…« Und um irgendwas zu sagen: »Ging alles ziemlich schnell.«
    Sein Blick blieb gesenkt. »Wenn es diese Armee, was immer sich dahinter verbirgt, tatsächlich gibt, dann bedeutet das da«, er wies mit dem Kinn auf die Leichen, »daß mein Aufenthalt in Frankfurt beendet ist.«
    »Mhm«, machte ich vage, stand auf und steckte mir eine Zigarette an. Eine Weile standen wir so im Halbdunkel und horchten auf die Geräusche von der Straße. Autos fuhren vorbei, weiter weg ratterte eine Straßenbahn.
    Ich fragte: »Hast du große Plastikmülltüten?«
    »In der Küche.«
    Ich trat die Zigarette aus. »Okay. Während Slibulsky und ich die Leichen wegbringen, putzt du den Laden, hängst ein Schild raus, >Bin im Urlaub< und gehst nach Hause. Morgen haust du mit dem ersten Zug oder Flugzeug ab.«
    »Abhauen? Wohin?«
    »Was weiß ich? Mallorca. Ruf mich an und sag mir die Nummer, unter der ich dich erreichen kann. In zwei, drei Wochen müßte ich rausbekommen haben, wer das Ganze leitet und ob sie hinter dir her sind.«
    »Sag einen Grund, warum sie nicht hinter mir her sein sollten?«
    »Du bist sicher nicht der einzige, den sie erpressen, also dürften sie erst mal eine Weile lang alle ihre Opfer verdächtigen.« Und zwar die ewige Weile von etwa ein bis zwei Tagen. Spätestens dann hätten sie sich Romario geschnappt und würden alles aus ihm rausprügeln, was sie wissen wollten - samt Slibulskys und meinem Namen.
    Ich sah Romarios Silhouette, wie sie sich abwandte, während sein unverbundener Arm eine wegwerfende Geste in meine Richtung machte. Ich ahnte, was er dachte: Hätte er doch bloß einen anderen um Hilfe gebeten, einen, der für Geld arbeitete und bei Erfolg ein Extra bekam und der die Sache schon allein deshalb zur Zufriedenheit aller geregelt hätte, ohne Tote und drohende Geschäftsaufgabe. So ist das mit Freundschaftsdiensten. Wenn sie in die Hose gehen, wird ihre Kostengünstigkeit zum Beweis mangelnder Fähigkeit.
    Abgesehen davon, daß Romario, falls er dachte, was ich glaubte, daß er dachte, nicht mal falsch lag. Sicher, ich war losgezogen, hatte kugelsichere Westen besorgt, Slibulsky zum Mitmachen überredet und das Zusammentreffen ein paarmal mit beiden durchgesprochen. Aber eigentlich hatte ich mich die ganze Zeit nur darüber geärgert, daß es ungeschriebene Gesetze gab, die mich verpflichteten, Romario zu helfen, und daß ich so blöd gewesen war, mich vor vier Tagen mit ihm zu treffen, anstatt mich mit Grippe oder sonstwas rauszureden. Anders gesagt: In diesem Moment, eine Leiche links, eine rechts, die Füße in einer Blutlache, kapierte ich, daß ich Romario nicht mochte. Und zwar überhaupt nicht. Er ließ andere Leute in trockener Heizungsluft ersticken, weil er nicht damit klarkam, irgendwann mal irgendwoanders zur Welt gekommen zu sein, kochte miserabel und glaubte, indem er mich hin und wieder zum Restepamps einlud, mir über die Runden zu helfen - was zwar stimmte, um so schlimmer. Doch um mit dieser Einsicht irgendwas anzufangen, war es etwa zehn Minuten zu spät. Ich hing mit drin. Selbst wenn Romario sich auf Nimmerwiedersehen verkrümelte, gab es genug Leute in der Stadt, die sich über sein plötzliches Verschwinden Gedanken machen würden, und früher oder später spräche sich rum, daß man mich in den letzten Tagen ziemlich oft in seiner Nähe gesehen hatte. Vielleicht konnte diese Mafia nicht reden, aber hören und wahrscheinlich auch rechnen, und wenn sie eins und eins zusammenzählte, würde sie kaum zu dem Ergebnis kommen, ich sei zum Würfeln hier gewesen. Und dafür, daß man ihre Leute umlegt und ungeschoren davonkommt, sind Mafiaorganisationen nicht unbedingt bekannt.
    Alles in allem war unsere Aktion also eine einzigartige Pleite. Dazu bekam ich
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