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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute
Autoren: Jan Korssdorff
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kurzes konzentriertes sexuelles Taxieren, nichts anderes, und sobald es vorbei war, beugte sich der Mann zu Caro herunter und reichte ihr seine riesenhafte Hand.
    »Ich bin Stefan Helby, und Sie müssen für die Position der Presseleitung hier sein?«
    Danesita warf ein: »Nein, nein, Stefan, Carolin Novara spricht für die Position der Texterin vor.«
    »Na, wofür wollen Sie denn jetzt vorsprechen?«, fragte Helby süffisant, als hätte sich Caro schon in Widersprüche verstrickt.
    »Texterin«, sagte Caro, »ich texte.«
    »Und das ist wichtig«, sagte Helby, nun wieder völlig ernsthaft. »Die Worte entscheiden darüber, was wir sind. Das erfahre ich jeden Tag, wenn ich da draußen unterwegs bin und unser Anliegen verbreite. Habe ich euch bei etwas gestört?«
    »Carolin wollte eben ausführen, was ich an mir ändern sollte«, sagte Danesita.
    »Oh, das höre ich mir an«, gab Helby lächelnd zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen.
    »Ihre Sprache«, sagte Caro. Sie hatte in etwa eine Ahnung davon, was sie sagen wollte, aber die Gegenwart Helbys machte sie unruhig. Danesita schien die Gegenwart des anderen allerdings fast noch mehr zu irritieren.
    »Sie meinen den Akzent.«
    »Ja. Wissen Sie, der Rest, das wäre sinnlos. Wenn ich Sie in einen Designeranzug stecke, krempeln Sie die Ärmel rauf oder vergessen die Radklammern an den Stulpen. Ihr Outfit erzählt etwas über Sie: Sie sind schlank und radeln gerne, aber Sie haben einen kleinen Rettungsring, das heißt, Sie sind kein Fanatiker. Ihre Frisur ist nicht so optimal, aber das lässt immerhin den Schluss zu, dass Ihnen andere Dinge mehr bedeuten, Musik zum Beispiel. Rammstein bringt Sie in eine seltsame Ecke, aber es weckt Interesse, viel mehr als ein Beatles-Shirt oder so. Die Schuhe, was auch immer sie kosten, sind peinlich, zeigen aber, dass Sie eben tragen, was Ihnen gefällt. Ihre Akne-Narben, also diese Poren, erinnern daran, dass Sie mal ein Junge waren, jetzt aber erwachsen sind. Und das Allerwichtigste: Ihr Name ist klasse. Aber – und jetzt komme ich zu meiner Änderung – Ihre Sprache, da müsste man was machen. Es ist ein wenig unheimlich, wenn jemand mit verschiedenen Zungen spricht. Ich würde mich auf ein dezentes Business-Bairisch einpendeln.«
    »Business-Bairisch?«, fragte Danesita nach.
    Helby lachte auf. Dann sagte er in seiner tiefen, schnarrenden Stimme: »Das würde ich versuchen, Quintus!«
    »Ich glaube, ich gehe jetzt besser, ich bin nicht so gut in solchen Spielen …«
    »Das war nicht übel«, sagte Helby und legte Caro eine seiner Pranken auf die Schulter. »Wir melden uns, in Ordnung?«
    »In Ordnung«, sagte Caro, »bye bye!«
    Caro verließ Danesitas Büro, ohne sich noch mal umzudrehen. Sie rauschte an der Sekretärin vorbei, lief die Treppen hinunter, aus dem Gebäude hinaus und die Straße entlang Richtung Donaukanal. Sie zündete sich eine Zigarette an und begann unverzüglich, sich selbst ein paar unbequeme Wahrheiten an den Kopf zu werfen: Nie wieder würde sie in einem kreativen Beruf arbeiten können, sie war hirnlahm und verstockt, und das war wohl auch der wahre Grund, weswegen Roman sie verlassen hatte. Die einzige Leistung in ihrem Leben bestand darin, dass sie so viele Menschen so lange darüber hinwegtäuschen konnte, wie dämlich sie war, und sie würde als Klofrau an einer Autobahntankstelle enden. Als sie am Ufer des Kanals angekommen war, setzte sie sich in eine Bar am Wasser und bestellte sich Wein. Als sie den dritten intus hatte und schon so weit war, dass ihr Tränen in die Augen stiegen, wenn eine Ente vorbeischwomm, läutete ihr Handy. Die Sekretärin von Quintus Danesita teilte ihr mit, dass sie nächsten Monat in ihrem neuen Job beginnen könne. Caro bedankte sich heiser und legte auf. Nach einigen Momenten völliger emotionaler Leere schoss ihr die reinste Euphorie in die Venen. Dann aber wurde ihr schlagartig etwas bewusst und ihre Stimmung sank wieder: Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie in ihrem neuen Job würde tun müssen.

2
    D IE FEIERLICHE E RÖFFNUNG VON HÜMANIA Wien fand am ersten Samstag im September statt. Es herrschte strahlender Sonnenschein und keine Wolke erlaubte es sich, den Himmel zu beflecken. In einem landesweit zu empfangenden Radiosender wurde von 6 bis 9 Uhr morgens über die Eröffnung berichtet. Kunden der deutschen Filialen erzählten dem Moderator von ihrem HÜMANIA-Erlebnis, und wie sich ihr Leben nach dem Kauf verändert hatte. Es
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