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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute
Autoren: Jan Korssdorff
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sich hin, während er weiter ihre Unterlagen studierte. »Ihre Textproben sind ja alle sehr gut, und Ihre Bewerbung ist lustig, bloß muss ich Ihnen ehrlich sagen, die Aufgaben, die wir hier an Sie stellen, sind anders geartet als … was Sie bisher so getan haben. Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir ein kleines Spiel machen?«
    Caro hatte eine Frage wie diese kommen sehen und wand sich innerlich vor Widerwillen. »Aber nein, gerne!«
    »Gut. Seien Sie so freundlich und beschreiben Sie
mich
! Und bitte seien Sie so ehrlich wie möglich!«
    Caro wusste nicht, worauf das hinauslief, hoffte aber, er erwartete nicht, dass sie ihm schmeichelte. »Okay … Sie sind ein Mann – würden Sie bitte aufstehen – von etwa 1,80 Meter Größe. Sie sind schlank, aber ich glaube, Sie haben vorne ein bisschen … Bauch. Das sieht man auch, weil sie ein etwas zu enges T-Shirt tragen. Es ist ein Fan-Shirt der Gruppe
Rammstein
. Darüber tragen Sie ein schwarzes Sakko, das teuer war, inzwischen aber etwas abgetragen aussieht. Sie haben die Ärmel drei- oder viermal hochgeschlagen, was heute eigentlich kaum noch wer macht. Sie tragen silberne Turnschuhe mit Klettverschluss, die um die 150 Euro kosten, und schwarze Jeans. Und Sie haben heute Morgen vergessen, diese Rad-Klammern abzunehmen, damit die Hose nicht in die Speichen gerät, oder Sie mögen es eben so. Sie haben ein schmales Gesicht mit heller Haut und wenig Bartwuchs. Ich schätze Sie auf Mitte vierzig. Ihre Haare sind blond und schütter und könnten mehr Pflege vertragen. Ihre Augen sind sehr, sehr blau. Sie haben leichte Akne-Narben, aber sie … stehen Ihnen gewissermaßen, geben Ihnen Profil. Ihre Hände und Handgelenke sind schmal, beinahe zierlich, Ihre Fingernägel kurz und gepflegt, vielleicht spielen Sie ein Instrument? Sie haben keinen österreichischen Akzent, aber auch keinen eindeutig deutschen, entweder Sie haben ihn schon oft gewechselt oder Sie stellen sich auf Ihren Gesprächspartner ein, jedenfalls fällt es mir schwer zu sagen, woher Sie ursprünglich kommen. Sie tragen einen Ehering. Sie geben sich mir gegenüber freundlich, aber flirten nicht mit mir; wenn ich an das Gespräch mit Ihrer Sekretärin denke, vermute ich jedoch, das wird sich noch einstellen. Sie legen nicht viel Wert auf Statussymbole, den Flur hinunter ist fast jedes Büro größer als Ihres. Sie glauben an Ihre Firma, sonst hätten Sie das Poster nicht aufgehängt. Ich glaube, das war’s.«
    Danesita wog respektvoll den Kopf. »Das war richtig gut. Wirklich, nicht schlecht. Abgesehen davon, dass das kein Ehering, sondern ein Clubring ist, ich nicht mit meiner Sekretärin flirte, sondern bloß herumalbere, ich nur in diesem Zimmer sitze, solange mein richtiges, großes Zimmer verkabelt wird, die Schuhe nur 45 Euro gekostet haben und ich keine Akne-Narben, sondern einfach nur eine etwas gröbere Hautstruktur an den Wangen habe. Und ich habe keine Ahnung, wer das Poster aufgehängt hat, es ist nicht so besonders.«
    »Oh.«
    »Aber sonst … Wollen wir noch weitermachen?«
    »Wenn Sie meinen, das bringt etwas …«
    »Überlegen Sie sich Folgendes – was würden Sie an mir ändern, um meine Attraktivität zu erhöhen?«
    »Was ich ändern würde?«
    »Genau. Sie können mich natürlich nicht größer machen als ich bin, aber sonst ist alles erlaubt. Outfit, Styling …«
    Caro überlegte. »Ich glaube, ich würde nur eine einzige Sache ändern.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des kleinen Bürozimmers und ein Mann trat ein. Er unterhält sich mit sich selbst auf Englisch, war Caros erster kindischer Gedanke, aber natürlich sprach er in ein winziges Headset in seinem linken Ohr. Er war ein Hüne, zwei Meter groß, vielleicht sogar ein paar Fingerbreit darüber. Caro schätzte ihn auf Ende vierzig. Er trug einen schwarzen Anzug und zog einen kleinen silbernen Business-Trolley hinter sich her. Wenn sie auch ihn beschreiben müsste, täte sie sich schwerer als bei Danesita, denn dieser Mann war
flawless
, jedenfalls war dies das Wort, das ihr zuerst in den Sinn kam. Vielleicht nicht im Sinne von
makellos
, sondern eher in der Bedeutung von
aus einem Guss
. Er war der klassische Business-Mann, von den schimmernden Schuhen bis zum schwarzen Scheitel, hundert Prozent Ökonomie, Industrie, Synergie.
    Erst als der Mann seinen Rollkoffer an der Wand abgestellt hatte, bemerkte er, dass Danesita in einer Besprechung war. Er beendete das Telefonat und nahm Caro in Augenschein. Es war ein
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