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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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noch dazu war es hässlich wie die Nacht. Serrano konnte sich nicht erinnern, je einen so kurzen, borstigen Schwanz und derart schräge Augen gesehen zu haben. Auf dem Nacken des Findlings saß ein weißes Mal, es sah aus wie ein Taubenschiss.
    Ungeduldig wartete Serrano eine Atempause des Dings ab, dann versuchte er es erneut: »Einer wie du gehört nicht auf die Straße, sondern zu seiner Mutter. Also setz deine Pfoten in Bewegung und geh einfach denselben Weg zurück, den du gekommen bist, so lange, bis du an eine Zitze stößt. Ich kann dich hier nicht brauchen.«
    Das Ding stieß einen unerträglich hohen Laut aus. Serrano begriff, dass es Hunger hatte. »Ich bin ein Kater«, sagte er, um jede Hoffnung im Keim zu ersticken. »Bei mir gibt es nichts zu holen.«
    Offenbar verstand das Ding jedoch etwas anderes. Denn kaum hatte er das Wort »Kater« ausgesprochen, kam es unter leisem Gewimmer herangestakst. Es drängte zwischen Serranos Beine,stieß mit der Nase an seinen Bauch und begann zu suchen. Erschrocken stieß Serrano es zurück. »He! Hast du nicht gehört?«
    Nein. Mit hektischem Fiepen wühlte das Ding sich wiederum in sein Fell. Es war ein merkwürdiges Gefühl, eine Mischung aus Kitzeln und Drücken. Serrano riss die Geduld. Mit aller Rücksicht, die er aufbringen konnte, nahm er das dehnbare Nackenfell des Kleinen zwischen die Zähne und setzte es zurück auf die Bastmatte. Sofort machte es sich wieder auf den Weg. Das Spiel wiederholte sich einige Male, nur dass das Piepsen jedes Mal verzweifelter wurde. So ging es nicht. Er konnte schließlich nicht warten, bis der kleine Dämlack vor Erschöpfung zusammenbrach.
    »Pass auf«, sagte Serrano langsam und deutlich. »Ich werde dich jetzt ein wenig herumtragen. Das wird dir nicht gefallen. Aber die, zu der ich dich bringe, ist eine Mutter, die alle anderen Mütter der Gegend kennt. Sie wird dir helfen.«
    Als er noch die Geschicke des Reviers gelenkt hatte und vor seiner schicksalhaften Begegnung mit Aurelia war die dicke Maja lange Jahre Serranos Geliebte gewesen. Sie trug ihm seine Untreue nicht nach, zumal man ihr noch immer mit dem Respekt begegnete, der einer ehemaligen Gefährtin des Princeps und Mutter von Dutzenden seiner Sprösslinge gebührte. Und noch immer galt sie als das am besten informierte Wesen des Viertels. Ihr letzter Wurf war aus gegebenen Gründen von einem anderen gewesen, dem Freigeist Streuner, aber Serrano war dennoch ihr Freund geblieben. Manchmal stieg er zu ihr in den Keller des Lebensmittelladens hinab, um ein wenig zu plaudern. Manchmal, wenn er Fragen hatte. Mit einem Fellbündel im Maul war er noch nie bei ihr aufgetaucht. Aber sie würde ihm auch das nachsehen.
    Oder auch nicht, korrigierte sich Serrano, als er vor Majas leerem Lager stand. Das Bündel hing schlapp und stumm aus seinem Maul.
    Sogar Krümel war abwesend, ihrer beider bedauernswerte Tochter. Maja hatte ihr Obdach im Vorraum des Kellers gewährt und fütterte sie mit den Resten der Fleischtheke im Laden durch. Dafür hütete Krümel das gemeinsame Heim und nahm Nachrichten entgegen, wenn ihre Mutter auswärts war. Die Apfelstiege, in der sie für gewöhnlich schlief, lag verlassen, der Fressnapf war sauber ausgeleckt, im Wassernapf schwamm eine starre Fliege. Maja duldete keine Insekten in ihrem Wasser, und Krümel hielt sich an die Prinzipien ihrer Mutter, demnach mussten die beiden schon vor einer Weile aufgebrochen sein. Wann sie wiederkommen würden, wusste der Himmel. Aus diesem Grund und einem, den nur der Geist seines toten Freundes Bismarck verstand, stopfte Serrano seine haarige Fracht nicht einfach zwischen Majas Handschuhe. Und weil ihm gerade eine neue Idee durch den Kopf zuckte. Wenn nicht diese, dann musste es eben eine andere Mutter tun.
    Nico öffnete die Tür für seinen Geschmack etwas zu schwungvoll.
    »Serrano! Was beschert mir …«, sie brach ab, als sie das Ding erblickte. Serrano legte es vor ihr ab.
    »Himmel, das arme Würmchen. Wo hast du es gefunden?« Eine rhetorische Frage, Nico wusste, dass Serrano nur seinen Namen verstand, aber manchmal bildete sie sich ein, dass er trotzdem begriff, worum es ging. Sie nahm das Kätzchen vorsichtig in die Hand. Es begann zu fiepen. Serranos Ohr zuckte nervös.
    »Hast du deine Mama verloren?«, murmelte sie. »Hunger hast du auch. Und der Onkel hat dich zu mir gebracht? Daran hat er gut getan.« Sie wies ins Innere ihrer Wohnung. Doch statt der Einladung zu folgen, streckte Serrano sich nur
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