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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond
Autoren: C Anlauff
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Herbstblatt.
    Das Flüstern hingegen verstärkte sich, bis Serrano beim Verlassen des Tunnels begriff, dass es sich nicht um Flüstern, sondern Rascheln handelte. Wie es schien, kam es von rechts aus einer angrenzenden Brombeerhecke. Mit einem raschen Blick überzeugte er sich, dass keine weiteren Federn oder Körperteile auf dem Boden lagen, und ging in Angriffsposition. »Komm raus!«, befahl er.
    Stille. Nach einer Weile bewegten sich einige der Ranken, und ein zerzauster Kopf fädelte sich hindurch. »Endlich!«
    Serrano lockerte sich. »Wo ist Wu?«
    Die Ohren der Perserin zuckten nervös. »Ein paar Schritte den Weg hinauf ist ein Garten. Nein, kein Garten. Nur ein umzäuntes Stück Land. Davor liegt das letzte … Zeichen.« Ihr Atem wurde flacher. »Beeil dich, ehe das Ungeheuer sie umbringt.«
    »Hast du es gesehen, das Ungeheuer?«
    »Ja. Das heißt, ich habe seinen Schatten gesehen!«
    Den Schatten des Schattens. Zu seiner Verwunderung breitete sich in Serrano plötzlich tiefe Ruhe aus. »Geh zurück zu Esteban«, sagte er zu Dahlia wie zuvor zu ihren Töchtern. »Und wenn du unterwegs einige Kater unter der Führung eines Getigerten triffst, schick sie zu mir. Keine Angst, es sind Freunde!«
    Er brauchte nicht lange, um das beschriebene Grundstück zu finden. Es war eines von der Sorte, die sich in ähnlicher Ausführung auch an den südlichen Parkrand des Viertels drängten. Früher war Serrano dort ab und zu herumgeschlendert, um nach Neusiedlern Ausschau zu halten. Die Gärten waren allesamt eckig, klein und dicht bepflanzt und beherbergten im Zentrum einHäuschen. Nur dass sie – ebenfalls allesamt – wesentlich gepflegter aussahen als dieser hier.
    Auf der schmalen Terrasse jenseits des Zauns lagen Möbel und Gerätschaften in wildem Durcheinander, die Stelle von Beeten nahmen zwei Apfelbäume, Himbeerbüsche und ein bemooster Steinhaufen ein. Von Wu oder dem Schatten keine Spur. Dennoch wusste Serrano, dass er am Ziel war. Vor ihm lag der Brustkorb der Taube. Ein paar Flaumfedern spielten kokett im Wind. Es war eigentlich ein schöner Abend, dachte er, als er unter dem Tor hindurch zum näheren der beiden Apfelbäume glitt. Einer, den man lieber in einem philosophischen Zwiegespräch als mit einem Schlächter verbrachte.
    Er spannte sein Ohr. Wind und Insekten. Nachdem er die Insekten herausgefiltert hatte: Wind, Blattbewegungen und eine Stimme von der Hütte her. Eine flüsternde Stimme, ähnlich dem Geräusch im Tunnel, nur weicher. Serrano glitt hinter den Steinhaufen. Ein paar Asseln stoben ängstlich auseinander. Davon abgesehen noch immer kein Zeichen von Leben, auch nicht auf der Terrasse, wie er sah, als er vorsichtig um die Steine spähte. Serrano begann gerade die Vor- und Nachteile abzuwägen, die es mit sich brachte, wenn er seine Deckung verließ, als er endlich ein leises Fauchen hörte. Nicht von der Hütte her, sondern von einem Holzstapel daneben. Ihm folgten ein Schwappen und eine Stimme, die trotz des Flüsterns amüsiert klang.
    »Ist dir langweilig? Sollen wir wieder unser altes Spiel spielen, von der Kralle in der Nase? Ja, vielleicht sollten wir, es ist eine Weile her, seit deine Freundin sich das letzte Mal gemuckst hat. Geben wir ihr einen kleinen Schubs.«
    »Sie wird nicht kommen«, keuchte Wu. »Ich habe dir tausendmal gesagt, dass sie den Garten nicht verlässt! Du musst dich schon selbst dorthin bemühen.«
    »Vertrau mir! Sie kommt, und wenn sie kommt, dann trippeln ihre süßen Töchter bald hinterdrein. Stell dir vor, drei mal zweiSchenkel, die nur darauf warten, den neuen Princeps vom Park zu gebären.«
    »Du bist widerlich.«
    »Eine amüsante Einschätzung aus einem so abstoßenden Maul. Man könnte beinahe glauben, dass du neidisch bist. Aber so leid es mir tut, es gibt ästhetische Grenzen. Ich will keine knochigen, blauäugigen Bälger.«
    Ein kurzes Schwirren durchschnitt die Luft, und Wu schrie. Aus Serranos Brust kam ein dumpfes Knurren.
    »Na also«, sagte der Schatten zufrieden. »Da haben wir sie endlich, die schöne Retterin.«
    Es platschte erneut. Serrano verließ sein Versteck zur rechten Zeit, um Wasser über den Rand einer Tonne auf den Holzstapel spritzen zu sehen. Der Schatten dagegen hatte sich wieder in Luft aufgelöst.
    Serrano vergeudete keine Zeit damit, ihn zu suchen. Er stürzte der Tonne entgegen und sprang auf den Holzstapel. Aus dem Inneren der Tonne tauchte eine magere Pfote. Sie krallte sich um den Rand. Kurz darauf erschienen zwei
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