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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle
Autoren: Hildegunde Artmeier
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gedacht.
    »Mach dir keine Sorgen, ich bleib bei dir. Heut lass ich dich nicht allein.«
    Sie machte sich keine Sorgen. Alles war in Ordnung. Das Einzige, was sie wollte, war schlafen, endlich schlafen. Die Möbel um sie herum wurden immer verschwommener, der Schein der Nachttischlampe wurde dunkler und dunkler, auch die Panik in ihr war abgeklungen, verschwunden sogar. Sie glaubte zu spüren, wie er sich neben sie setzte und ihre Hand in die seine nahm.
    »Du wirst gar nichts merken, genauso wie Gisela. Auch deine Schwester hat nicht gelitten, es ging ganz schnell. Es tat mir Leid um sie, denn sie konnte ja nichts dafür, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist. Stell dir vor, wie erschrocken ich war, als du mich am nächsten Tag im Büro angerufen hast. Ich konnte mir das überhaupt nicht erklären, ich hatte dich ja auf dem Sofa gesehen. Gleichzeitig war ich erleichtert, denn ich hatte immer gehofft, dass es nicht nötig sein muss – bei dir, meine ich.«
    Seine leise, milde Stimme schien ihr ein Märchen zu erzählen. Das hatte sie geliebt als Kind, wenn sich der Papa vor dem Einschlafen eine Geschichte ausgedacht hatte. Ehrfürchtig hatten sie beide zugehört, sogar Mira hatte geschwiegen. ›Noch eine Geschichte‹, hatte sie höchstens gefleht, wenn er zu früh aufgehört hatte. Dann war es weiter gegangen von Bettlern, Prinzessinnen und Feen, die in verwunschenen Königreichen um ihr Glück kämpften. Allen Hindernissen zum Trotz war es immer gut ausgegangen, denn der Papa wusste, dass seine Mädchen nur bei solchen Märchen zufrieden einschlafen konnten.
    Während Lena Julians ferner Stimme lauschte, zweifelte sie keinen Moment daran, dass auch diese Geschichte gut ausgehen würde. Denn die Aussicht, endlich schlafen zu können, war im Moment der verlockendste Schluss, den sie sich vorstellen konnte.
     
    »Entscheiden Sie sich, Frau Kommissarin«, drängte Cedric. »Worauf ist mehr Verlass – auf Ihr berechtigtes Misstrauen oder auf Ihre angeborene Intuition?«
    In Lilians Kopf wirbelte es wie in einem Sandsturm. Bilder, Eindrücke und Gedanken formten sich aus den Sandkörnern, wurden dichter, verwoben sich zu einem in der Luft tanzendem Netz. Zwar befanden sich noch viele Löcher darin, aber das Grundgerüst war stabil. Sie erinnerte sich an den Morgen, als sie mit Cedric im Sorat Hotel gefrühstückt hatte und mit ihm auf der Jahninsel spazieren gegangen war. Wieder spürte sie seine schonungslose Ehrlichkeit und unerklärliche Fürsorge – zwei Dinge, die sie ebenso verwirrt wie überzeugt hatten. Dann dachte sie an diese bleierne Müdigkeit von heute Morgen, an Julians sanfte Worte, während nur sie den Wein getrunken hatte, an Lenas Bemerkung am Abend von Miras Tod: ›Genauso gut hätte es mich treffen können‹. Aber warum, überlegte Lilian hilflos, sollte Julian der gesuchte Mörder sein? Sie hatte es doch selbst miterlebt, wie nahe er Lena stand. Oder hatte Lillian sich täuschen lassen, hatte seine feine Stimme auch sie eingelullt?
    Da musste sie an diese Plastikkappe denken, die sie am Tatabend vor Lenas Wohnung entdeckt hatte. Die hatte zu einem Medizinfläschchen gehört und konnte von Julians Augentropfen stammen. Dummerweise hatte sie die Kappe weggeworfen, so dass sie als mögliches Indiz nicht mehr zur Verfügung stand. Aber bestimmt war er der eingemummte Besucher mitten in der Nacht gewesen, den Lenas Nachbarin beobachtet hatte. Und schließlich kam ihr der schwarze BMW in den Sinn, der sie am Tag vor dem Mord mit Schneematsch bespritzt hatte. Auf einmal war sie sich sicher, dass es der gleiche Wagen war, der ihr vorher auf dem Zugang zum Baggersee den Weg versperrt hatte. Dort stellte man zwar sonst keine Autos ab, aber die Stelle war so weit von Lenas Wohnung entfernt, dass niemand den Wagen mit ihr in Verbindung gebracht hätte.
    »Ist das Ihr Leihwagen?«, bellte sie Cedric an.
    »Wie bitte?«
    Ungeduldig wiederholte sie die Frage. Es war ein silberner Mercedes. Sie wusste zwar nicht, ob Cedric in dem BMW gewesen war, der sie angespritzt hatte. Aber derjenige, der Lena nachspionieren wollte, hatte ihn sicher gefahren.
    Er nickte.
    »Zeigen Sie mir die Fahrzeugpapiere.«
    »Die hab ich nicht dabei. Ich hab Larissa bloß kurz ins Stadttheater gefahren und bin dann gleich hierher. Das hier sind die Schlüssel, mehr hab ich nicht.«
    Die hätte ihm sonst wer geben können. Aber gut, das Leben war ein einziges, großes Wagnis.
    »Ich vertraue Ihnen.« Sie sicherte ihre
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