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Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Katrin Sandmann 04 - Blutsonne

Titel: Katrin Sandmann 04 - Blutsonne
Autoren: Sabine Klewe
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Jahren kennengelernt hatte, hatte er nicht näher darüber nachgedacht. Veronika war schön gewesen, nicht einfach hübsch. Wunderschön. Und so lebendig. Überall, wo sie hinkamen, war sie sofort der Mittelpunkt, lachte, scherzte und wurde bewundert. Seine Freunde hatten ihn beneidet. Und er selbst war vor Stolz beinahe geplatzt. Sehr bald schon hatten sie allerdings gemerkt, wie verschieden sie waren, wie wenig sie sich zu sagen hatten, über den Alltag hinaus. Doch sie hatten sich arrangiert. Schließlich trugen sie gemeinsam Verantwortung für die Kinder. Und irgendwie hatte es funktioniert. Es ging ihnen gut. Erst jetzt, wo ihre zwei Söhne aus dem Haus waren, wurde die klaffende Lücke zwischen ihnen wieder sichtbar, der Abgrund, der sich zwischen Veronikas Leben und seinem auftat wie eine offene Wunde. Er hatte weggesehen, sich in die Arbeit gestürzt, um nicht hinschauen zu müssen. Doch Veronika gab sich damit offenbar nicht mehr zufrieden. Sie wollte es wissen. Und sie zwang ihn, sich ebenfalls damit auseinanderzusetzen. Er wagte nicht darüber nachzudenken, wohin das führen könnte. Zu ungeheuerlich schien ihm der Gedanke. Viel erschreckender als all die Leichen, als die Kaltblütigkeit und Brutalität, denen er im Laufe seines Berufslebens begegnet war.
    Müde trabte Halverstett durch den Park auf das Rheinufer zu. Schon von Weitem sah er, dass die Kollegen gerade damit beschäftigt waren, einen Teil des Geländes unmittelbar an der Mauer oberhalb des Flusses mit rotweißem Band abzusperren. Zwei Streifenwagen standen auf einem der Spazierwege. Sonst war noch nicht viel zu sehen. Es wurde sehr langsam hell. Beinahe widerwillig. So als hätte der Tag heute ebenso wenig Lust, seinen Dienst anzutreten wie der Kommissar. Wenigstens hatte der Nebel sich verzogen. Beinahe jedenfalls. Ein paar letzte feuchte Schleier hingen noch in den Kronen der Bäume, so als hätten sie sich in dem kahlen Geäst verfangen.
    Halverstett erreichte die Absperrung. Ein Uniformierter, den er nicht kannte, sprach ihn an. Er hielt eine Taschenlampe in der Hand. »Hier können Sie nicht durch. Polizeiabsperrung.«
    Halverstett kramte seinen Ausweis hervor. »Sehr vorbildlich, Herr Kollege. Guten Morgen. Spusi schon da?«
    Der Streifenbeamte schüttelte den Kopf. »Bisher ist niemand aufgekreuzt. Wir warten auch noch auf den Arzt.«
    »Was?! Der Notarzt war noch nicht hier? Wo ist denn der Tote?« Halverstett blickte sich irritiert um, doch er konnte im Dämmerlicht außer drei geschäftig umhereilenden Polizisten nichts erkennen. »Wer hat denn dann den Tod festgestellt?«
    Der Uniformierte räusperte sich verlegen. »Ich. Ähm , also wir. Wir haben sofort gesehen, dass da nichts mehr zu machen ist. Da haben wir gleich die Gerichtsmedizin angefordert.«
    »Na wunderbar. Und jetzt rufen Sie trotzdem ganz schnell den Notarzt. Oder wollen Sie den Totenschein ausstellen?«
    » Ähm . Nein, natürlich nicht. Wird sofort erledigt.« Er zückte sein Funkgerät, aber Halverstett war noch nicht fertig mit ihm. »Wer hat denn den Toten gefunden?«
    » Die Toten, Herr Hauptkommissar. Es sind zwei.«
    Halverstett seufzte. »Also, wer hat die Toten gefunden?«
    »Ein Rheinschiffer.«
    »Ein Rheinschiffer? Vom Schiff aus?«
    Der Beamte nickte. »Ja. Genau. Hat es direkt per Funk gemeldet.«
    »Wo ist der Mann jetzt?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich schon in Duisburg.«
    Halverstett stöhnte. »Ihr habt den weiterfahren lassen? Verdammt! Ich brauche seine Aussage. Und zwar so schnell es geht! Verstanden?«
    »Jawohl.« Der Streifenbeamte blickte verlegen zu Boden.
    Halverstetts Blick streifte erneut suchend durch den Park. »Wo sind sie denn jetzt?«
    »Wer?«
    »Die Toten.«
    »Ach so.« Ein schwaches Grinsen. »Sie suchen zu tief, Herr Kollege. Da oben.« Er schaltete die Taschenlampe an und schwenkte den Lichtkegel in die mächtige Krone eines Baumes, der direkt an der Mauer stand. Halverstett blickte hinauf, und seine Müdigkeit war wie weggeblasen.
    »Ach du Scheiße.«

2
    Katrin spürte, wie Manfred langsam wach wurde. Der Körper unter ihrer Hand regte sich, die Muskeln spannten sich an. Behutsam fuhr sie mit den Fingerspitzen über seinen Rücken, malte verschlungene Muster auf die nackte Haut. Manfred grunzte zufrieden. »Nicht aufhören«, murmelte er schlaftrunken, als Katrin kurz innehielt. Grinsend ließ sie ihre Hand weiterwandern, bis er sich umdrehte und sie in die Arme nahm.
    Von irgendwoher erscholl gedämpft der Radetzky-marsch .
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