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Katrin mit der großen Klappe

Katrin mit der großen Klappe

Titel: Katrin mit der großen Klappe
Autoren: Marie Louise Fischer
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anderen zu.
    „Ob man von hier aus hinein könnte?“
Silvy versuchte, einen langen Schritt zu machen — sie hatte die Höhe der Mauer
erreicht, aber der Abstand war zu groß.
    „Nein“, sagte Leonore. „Man muß
es von unten versuchen.“
    „Ihr wollt doch nicht?! Nein,
das dürft ihr nicht!“ riefen Olga und Ruth.
    Aber Silvy und Leonore hörten
gar nicht hin. Abenteuerlust hatte sie gepackt. Sie kletterten noch einige
Meter den Abhang entlang, bis sie jenseits der Mauer eine Birke entdeckten, an
deren Stamm sie abwärts hangeln konnten. Dann rutschten sie den Abhang
hinunter.
    „Komm, Olga“, rief Leonore,
„hilf uns rauf!“
    „Warum denn ich?“
    „Weil Ruth zu klein ist... und
Silvy will bestimmt auch mit rüber!“
    Olga ergab sich in ihr
Schicksal. Die Freundinnen über die Mauer zu expedieren war ja immerhin weit
weniger gefährlich, als selber in den fremden Garten zu klettern. Sie faltete
ihre Hände zu einem Körbchen. Silvy stellte den rechten Fuß hinein, richtete
sich auf und zog sich mit einem Klimmzug an den Dachpfannen hoch. Leonore
folgte ihrem Beispiel.
    Olga und Ruth, die
zurückgeblieben waren, hörten sie jenseits der Mauer aufplumpsen.
    „Wenn das nur gutgeht!“
flüsterte Ruth und biß sich in die Knöchel. „Wenn das nur gutgeht!“
    Im gleichen Augenblick ertönte
lautes Gebell vom Haus her. Ruth wurde vor Schreck ganz blaß.
    Aber Olga behielt die Nerven.
„Wir müssen ihnen helfen“, rief sie, „rasch!“ Und ehe Ruth noch begriff, was
geschah, löste sie den Riemen, mit dem Silvy ihre Schlittschuhe
zusammengebunden hatte, ihren eigenen Ledergürtel, knüpfte beides aneinander,
und ganz mechanisch folgte Ruth ihrem Beispiel und löste die dicke Kordel, die
sie um den Schlittschuhrock trug.
    Noch nie in ihrem Leben hatte
Olga so schnell Knoten gemacht. Sie warf den so entstandenen Strick über die
Mauer und rief: „Halt mit fest, Ruth! Häng dich dran!“
    Da spürte sie auch schon, wie
es am anderen Ende des Strickes schwer wurde, Sekunden später hatte Silvy die
Höhe der Mauer erreicht. Aber sie blieb rittlings sitzen, warf den Strick zu
Leonore hinunter.
    Das Hundegebell kam näher und
näher, jetzt war es ganz nah — aber da hatte auch Leonore die Mauer erklommen.
Die beiden Mädchen ließen sich von ihren Freundinnen herabhelfen. Alle rannten
an der weißen Mauer entlang, bis sie die Parallelstraße zum Heckenrosenweg erreicht
hatten. Erst dann wagten sie stehenzubleiben und Atem zu holen.

    „Donnerwetter, das war knapp!“
stieß Olga hervor.
    „Das mit dem Strick war die
Idee des Jahrhunderts!“ gab sogar Silvy zu und half mit, die Knoten zu lösen.
„Das war Rettung im letzten Augenblick.“
    „Für mich“, sagte Leonore, „ist
sie ein bißchen zu spät gekommen!“ Sie drehte sich wie ein Kreisel um sich
selber, tastete nach hinten — und fand nichts. „Dem Himmel sei Dank“, sagte
sie, „ich dachte schon, der Köter hätte mir ein Stück aus dem Kilt gebissen!
Ich habe seine Zähne direkt gespürt!“
    „Nicht aus dem Kilt“, sagte
Olga, „aber aus der Hose.“ Leonore lachte erleichtert. „Halb so schlimm, das
kann man flicken.“
    „Was war denn das für ein
Hund?“ fragte Olga. „Hast du ihn gesehen?“
    „Ein Lassie!“
    Ruth schluchzte fast. „Nie, nie
wieder mache ich so etwas mit!“ schwor sie sich.
    „Sollst du ja auch nicht“,
sagte Leonore tröstend, „das nächste Mal denken wir uns was Schlaueres aus!“
    „Sehr richtig!“ sagte Silvy.
„Versprecht mir eines: daß ihr Katrin nie verratet, was passiert ist! Oder erst
dann, wenn es uns gelungen ist, ihr Geheimnis zu lüften!“
    „Einverstanden!“ riefen die
anderen. „Eine glänzende Idee!“ — „Ich verrate es bestimmt nicht!“
    Und dann trollten sie sich nach
Hause. Es war kalt geworden, und sie hatten Hunger.
     
     
     

Eine schwierige Lage
     
    Natürlich wußte Katrin längst
Bescheid, was passiert war. Sie hätte ja blind und taub sein müssen, um es
nicht zu merken, und sie war nichts von alledem.
    Als Anette, das Hausmädchen,
von der Gartenpforte zurückgekehrt war, hatte sie in der großen hellen Küche im
Souterrain gesessen und sich damit beschäftigt, ein phantasievolles,
farbenprächtiges Herbstbild zu malen. Die alte Frau Bär, ihre Großmutter, hatte
ihr gegenüber gestanden und Bohnen in einen Kochtopf geschnippelt.
    „Unglaublich!“ hatte Anette
gezischt und war auf Katrin losgefahren. „Was fällt dir ein, deine Freundinnen
hierher zu
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