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Katakomben (van den Berg)

Katakomben (van den Berg)

Titel: Katakomben (van den Berg)
Autoren: Mark Prayon
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Stücken in den Mund schob. Nach dem Essen gähnte sie, um
ihm klarzumachen, dass sie nach Hause wollte. Van den Berg spürte, dass es
besser war, jetzt zu schweigen. Beim Verabschieden lachten sie. Der Kommissar
war sich sicher, dass ihm Marie schon bald wieder aus der Hand fressen würde.
    Ein
Dutzend Polizisten waren in der Sondereinheit. Van den Berg hatte nicht die leiseste
Absicht, die Kollegen bis ins letzte Detail in seine Kenntnisse und Pläne einzuweihen.
Selbst Deflandre nicht, der sein engster Partner war. Und Vermeulen würde auch
nur das zu hören bekommen, war er preisgeben wollte. Van den Berg wusste um
sein Image als Einzelkämpfer und das war ihm herzlich egal. Deflandre war der Einzige,
dem er vertraute. Manchmal brauchte er ihn, denn es gab Dinge, die nicht einmal
van den Berg allein schaffen konnte.
    Ich
muss Nicole anrufen, dachte van den Berg und griff im gleichen Augenblick zum
Hörer. Sie nahm nicht ab - der Kommissar sprach ihr ein paar verbindliche Sätze
auf die Mailbox.
    Nicole
Vandereycken hatte bereits einen exzellenten Ruf als Polizeipsychologin, obwohl
sie erst 27 war. Es war fast genau ein Jahr her, dass sie zusammen mit van den
Berg einen Ritualmord aufklärte, der das ganze Land in Atem hielt. Sie hatten
eine 17-jährige in der Badewanne gefunden, der man die Zunge herausgeschnitten
hatte. Van den Berg hatte sich in verschiedenen Sackgassen festgerannt. Seinen
Entschluss, eine Psychologin hinzuzuziehen, hatte er spontan gefasst und weil
er nicht weiterkam. Nicole hatte keinen Schimmer von Polizeiarbeit, aber sie
war klug - das hatte van den Berg schnell verstanden. Nicole war
unvoreingenommen, dachte nicht in Konventionen, und sie war radikal. Die
Psychologin legte los wie eine Dampfwalze, sie verdächtige jeden im Dunstkreis
des toten Mädchens, die beste Schulfreundin, die Eltern, sogar die Großmutter. Die
gesamte Verwandtschaft des Opfers war einem gnadenlosen Kreuzverhör ausgesetzt.
Der Vater des Mädchens hatte einen Wutanfall bekommen, die Großmutter war in
Tränen ausgebrochen, als sie begriffen, dass man ihnen den Mord zutraute. Van
den Berg war fasziniert davon, wie cool die Psychologin Widerstände wegsteckte.
Bei ihrer unerbittlichen Art, Gesprächpartner in die Enge zu treiben, fühlte
sich der Kommissar mitunter an die spanischen Inquisitoren des 15.Jahrhunderts
erinnert. Mit Finten und Halbwahrheiten hatte sie den Hauptverdächtigen schließlich
erst in Widersprüche verwickelt und dann so sehr in die Enge getrieben, dass er
mitten in der Nacht ein tränenreiches Geständnis ablegte. Nicole genoss im
Brüsseler Kommissariat fortan mindestens Respekt. Nur sie selbst war nicht mit
sich zufrieden gewesen – sie ärgerte sich, nicht schneller auf die Lösung
gekommen zu sein.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
       3

 
 
 
    Van
den Berg holte eine schwere Schwarte aus dem Regal, die er tags zuvor in einem
Antiquariat erstanden hatte – die Geschichte der Habsburger. Seine Lieblingsfigur
war Karl V, der in Gent geboren war, genau wie er. Ihn faszinierte, wie es die
alten Kaiser geschafft hatten, ein Riesenreich durch geschickte Kriegsführung zu
erobern, in dem die Sonne niemals unterging, aber vor allem, indem sie die
richtigen Frauen heirateten. Große Herrscher wie Karl V, die waren seine
Kragenweite. Manchmal stellte er sich vor, mit einem gewaltigen Heer in die
Schlacht zu ziehen und in der Wiener Hofburg oder im Prager Hradschin zu
residieren. Sein Interesse für das 16. und 17. Jahrhundert hatte auch damit zu
tun, dass das mittlerweile so unbedeutende Belgien als Teil der spanischen
Niederlande ein wichtiger Teil in Europa gewesen war. Es machte ihn traurig,
dass die belgische Monarchie nur noch ein vergilbtes Abziehbild seiner ruhmreichen
Vergangenheit war. Dennoch verfolgte er die Politik des belgischen Königs
Albert II, an dem er dessen nicht ganz uneigennütziges Eintreten für die
Einheit Belgiens schätzte. Flamen, die für die Loslösung Flanderns kämpften,
machten ihn rasend.
    Van
den Bergs Telefon schellte. Das geht aber schnell, dachte sich van den Berg.
„Du hast Sehnsucht nach mir, Herr Hauptkommissar?“, fragte sie mit ihrer hellen
mädchenhaften Stimme. „Du hast es erraten, aber Hauptkommissar bin ich deswegen
noch lange nicht“, gab er mit einem lauten Lachen zurück. Nicole wurde ernster:
„Ich hab schon gehört von dem Mädchen. Hört sich wirklich nicht schön an. Habt
ihr schon
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