Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kastell der Wölfe

Kastell der Wölfe

Titel: Kastell der Wölfe
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Ma.«
    »Toll, dass es dir geschmeckt hat. Aber jetzt denke ich doch, dass du zu Bett gehen solltest.«
    »Nein, ich warte, bis Dad zurückkommt«, beharrte Archie. »Er hat es mir erlaubt. Er will sich um den Jungen kümmern – zusammen mit Dr. Wilson –, und dann will er mir erzählen, was passiert ist.«
    »Meinst du wirklich, dass er etwas herausfindet?«
    »Und ob.«
    Seine Mutter gab nicht auf. »Hast du mir nicht erzählt, dass dieser fremde Junge nicht sprechen kann?«
    »Habe ich. Er hat bei mir nicht gesprochen. Vielleicht schaffen es Dad und Dr. Wilson, ihn zum Reden zu bringen. Könnte doch sein, oder? Die sind ja erwachsen.«
    »Ich weiß nicht, Archie.«
    »Aber ich«, sagte er entschieden. »Der Junge ist nicht dumm. Ich glaube, dass er mein Freund sein will.«
    Esther May runzelte die Stirn. »Bitte, wie kommst du denn darauf?«
    »Das spürt man.«
    »Tatsächlich?«
    Archie nickte ernst. »Ja, das kannst du mir glauben. Ich habe das genau gefühlt. Du hast ja nicht vor ihm gestanden. Er hat auch nichts zu mir gesagt, aber manchmal ist es so, dass Leute nichts zu sagen brauchen. Da versteht man sich trotzdem.«
    »Sehr gut.«
    »Oder nicht?«
    »Doch, du hast Recht.«
    »Außerdem hätte er ja auch woanders hinlaufen können«, erklärte Archie. »Er ist zu mir gekommen, und ich habe ihn ja heute nicht zum ersten Mal gesehen. Ich glaube nämlich, dass er wirklich gern bei mir ist.« Archie lächelte versonnen, bevor sich seine Züge schnell wieder verschlossen. »Es kann auch sein, dass er Angst hatte und hier bei mir Schutz suchte.«
    »Wovor wollte er denn Angst gehabt haben?«
    »Weiß ich nicht, Ma. Vielleicht vor den Leuten, von denen er kommt? Ist doch möglich.«
    »Ja, aber...« Sie wiegte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht.«
    »Was denkst du denn?«
    »Hm... Viele Gedanken habe ich mir über ihn nicht gemacht. Er muss irgendwo geflohen sein. Er ist, wenn ich den Beschreibungen glauben darf, ein Kind, das seine normale Entwicklung verpasst hat. Es muss in einer fremden Umgebung aufgewachsen sein, und ich könnte mir sogar vorstellen, dass er gefangen gehalten wurde.«
    »Echt?« Der Junge machte große Augen.
    »Ja, Archie. Man liest immer wieder in den Zeitungen von Menschen, die über Jahre hinweg in Verliesen gelebt und nie das Tageslicht gesehen haben. Wobei man sie auch noch quälte. Aber damit wird sich die Polizei beschäftigen, denke ich.«
    »Meinst du wirklich, dass sie so etwas mit ihm gemacht haben?«
    »Es ist nur eine Annahme.«
    Archie nickte und schaute auf seine kleinen Hände. Schließlich meinte er: »Der Junge wird bestimmt nicht zur Polizei wollen.«
    »Danach fragt man ihn gar nicht.« Esther May winkte ab. »Doch wir sollten jetzt nicht darüber diskutieren. Es ist spät, und ich kann mir vorstellen, dass Daddy erst zurückkehrt, wenn es schon hell geworden ist. So lange brauchst du nicht wach zu bleiben, Archie.«
    »Aber ich bin nicht müde. Das war alles viel zu aufregend. Ich kann bestimmt nicht schlafen.«
    »Leg dich erst mal hin.« Esther May stand auf. Sie drückte ihrem Sohn einen Kuss auf den Mund und den zweiten auf die Stirn. »So, und jetzt wird geschlafen.«
    Archie gab lieber keine Antwort. Er wollte seine Mutter nicht anlügen, aber er legte sich in sein Bett und schaute noch zu, wie die Mutter das Fenster schloss.
    »Es ist besser so«, sagte sie.
    Wenig später lag Archie allein im Zimmer. Das Licht war gelöscht worden, doch die Tür hatte Esther nicht ganz geschlossen, sodass durch den Spalt noch etwas Licht vom Flur in das Zimmer fiel.
    Archie blieb auf dem Rücken liegen. Er starrte gegen die Decke, die vor kurzem erst hell gestrichen worden war. Jetzt breiteten sich leichte Schatten auf ihr aus, und je länger er hinschaute, umso stärker hatte er das Gefühl, dass sich die Schatten bewegen würden.
    Er konnte den nackten Jungen ohne Namen nicht vergessen. Ständig spulte sich in seinem Kopf wie von selbst der gleiche Film ab. Er sah sich am Fenster. In der Nähe hockte der Junge, der die ausgestreckte Hand sicherlich gerne ergreifen wollte, sich aber nicht traute.
    »Du hattest Angst«, flüsterte Archie vor sich hin. »Du hast bestimmt Angst gehabt. Aber das muss nicht sein. Du kannst ruhig zu uns kommen. Wir werden dich alle beschützen, und mein Dad wird bestimmt nicht mehr mit dem Gewehr auf dich schießen.«
    Archie hatte die Worte wie ein Gebet gesprochen. Er war sich sicher, dass es dem Jungen schlecht ging, und hoffte auf dessen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher