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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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Yoga, das Faulenzen im grandiosen Park unter uraltem Baumbestand, die Radtouren an der nah gelegenen Mosel, dies alles tat unendlich gut. Ich fühlte mich zufrieden, obwohl es auch in der Kur Momente gab, in denen ich tieftraurig war. Diese traten immer dann auf, wenn ich mich draußen im Park aufhielt. In meinem Liegestuhl sitzend, schaute ich in die Baumkronen, hörte das Laub rascheln, sah die Eichhörnchen von Ast zu Ast klettern, spürte den Wind in meinen Haaren und versuchte mich der Zeit hinzugeben, die langsam und träge verging. Schmerzlich wurde mir dann bewusst, wie wenig ich gedanklich im Heute war. Ständig waren meine Überlegungen mit dem Morgen, mit der Zukunft beschäftigt. Nicht nur, weil dies mein Job so erforderte, es lag ganz einfach an mir, an meiner Persönlichkeit. Ich brauche Ordnung und Struktur um mich herum, möchte alles planen und vorausschauend bedenken, Chaos ist mir zuwider. Deshalb bin ich immer erst dann zufrieden, wenn alles erledigt ist und mein Dasein klar und übersichtlich vor mir liegt. Mit dieser Haltung ist es sehr schwierig, im Hier und Jetzt zu sein. Ich realisierte, dass ich mir dadurch auch vieles nahm. Wenn ich gedanklich ständig woanders war, konnte ich mich auch auf die Gegenwart nicht voll einlassen. War ich deshalb von den Zielen meines Lebens so weit weg?
    In diesem Urlaub dachte ich zum ersten Mal über Kündigung nach und darüber, wie ich mich beruflich verändern könnte. Meine alte Leidenschaft für das Schreiben von Texten und Briefen kam mir in den Sinn. Hatte ich vielleicht sogar das Talent ein Buch zu schreiben? War es nicht leichtsinnig meinen sicheren Job aufzugeben, um etwas mir völlig Neues und Unbekanntes zu wagen?
    Nach meiner Rückkehr war meine Erholung schnell dahin, meine Überlegungen waren schnell beiseitegeschoben, der alte Rhythmus schlich sich wieder ein. Das Gefühl, niemandem wirklich gerecht zu werden, kehrte zurück. Schwierigkeiten, die auftraten, machte ich häufig an mir und meinem Verhalten fest. »Ich bin schuld, ich habe mich nicht richtig verhalten« waren Sätze, die ich oft und gerne innerlich benutzte. Wieder bemerkte ich nicht oder wollte es nicht bemerken, dass ich mich nur von außen bestimmen ließ. Jegliche Zweifel, die mahnend in mir hochkamen, unterdrückte ich. Zwischendurch schützte ich mich, indem ich verbal austeilte, oft war ich ungenießbar. Meine Unzufriedenheit ließ ich an anderen aus. Keine leichte Zeit, weder für mich, noch für die Menschen um mich herum. Durch Meditation und Auseinandersetzung mit meinem Glauben versuchte ich etwas Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden. Der Jakobsweg spukte immer noch in meinem Kopf herum, verbunden mit der Sehnsucht einfach alles stehen und liegen zu lassen.
    Im Sommer urlaubten wir dann nochmals auf Mallorca, diesmal zu dritt. Einen Tag, bevor wir abflogen, ließ ich von meinem Bruder, der mir als Geschäftsführer vorstand, den Urlaubsschein abzeichnen und nutzte dabei die Gelegenheit, ihm zwei weitere Scheine mit der Bitte um Bewilligung zu geben. Bei dem einen war mir klar, dass er diesen abzeichnen würde, auch wenn die Zeit, in der ich frei haben wollte, nicht selbstverständlich war. Zwischen Weihnachten und Neujahr wollte ich ein spirituelles Seminar besuchen und gerade dieser Zeitraum ist eine ganz heiße Phase in der Kollektionserstellung, aber nach fünf Jahren Präsenz konnte ich das guten Gewissens vertreten. Nachdem er seine Unterschrift unter den ersten Schein gesetzt hatte, schaute er mich bei dem zweiten mit mehr als fragendem Blick an: »Das ist nicht dein Ernst, oder? Sechs Wochen am Stück im nächsten Jahr, im Mai und Juni? Wofür?« Daraufhin erzählte ich ihm von meinem Wunsch den Jakobsweg zu gehen, ebenso erzählte ich ihm von meinen Zweifeln und meinen inneren Konflikten. Es war ein gutes Gespräch, wir tauschten uns über unsere größten Wünsche aus, aber auch über unsere Gedanken und Vorstellungen vom Leben. Ich fühlte mich von meinem Bruder verstanden, empfand eine besondere Nähe zu meinem »großen« Bruder. Dennoch, das war mir vorher bereits klar gewesen, die Unterschrift bekam ich nicht. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz in unserem Unternehmen: Das, was wir unseren Mitarbeitern nicht zugestehen, ist auch für uns tabu. Wieso hatte ich es dann überhaupt versucht? Wollte ich ein Signal setzen? Sollte ich mich entscheiden? Hieß es am Ende sogar Karriere oder Jakobsweg?
    Der Urlaub zu dritt war schön und schrecklich zugleich. Obwohl
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