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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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Wie das Zeitproblem lösen?
    Die Zeit mit Walter war auch von Höhen und Tiefen geprägt. Was war das für eine Bindung, die keine Perspektiven kannte?
    Je näher mein 40. Geburtstag rückte, desto intensiver dachte ich über mein Leben nach. Immer wieder die gleichen Gedanken. Natürlich war ich dankbar für vieles: Ich war gesund; ganz attraktiv; finanziell unabhängig, konnte mir vieles leisten, ohne großartig dafür zu sparen; konnte Rücklagen für später bilden; hatte eine schöne Wohnung, liebevolle Eltern und Geschwister, süße Neffen und Nichten, wunderbare Patenkinder, tolle und zuverlässige Freunde. Dankbar zu sein, ist eine wunderbare Eigenschaft und ein großartiges Gefühl. Aber darauf wollte und konnte ich nicht mein ganzes Leben aufbauen. Mehr und mehr wuchs die Unsicherheit darüber, ob mich das alles auf Dauer wirklich glücklich machen konnte. Dieses Glück war ein äußeres Glück, nicht in mir verwurzelt. Welche Kraft konnte ich aus mir selbst schöpfen? Was würde passieren, wenn sich um mich herum alles radikal ändern würde? Irgendetwas fehlte. Irgendetwas lief schief. Gleichzeitig verbot ich mir aber solche Überlegungen: »Reiß dich zusammen!«, predigte ich mir, »andere haben wirkliche Probleme, dir geht es doch gut! Sei nicht so undankbar!« Da war sie wieder, meine Selbstdisziplin, mich in bestimmten Momenten zusammenzureißen, um den an mich gestellten Erwartungen gerecht zu werden. Letztendlich war es so auch bequemer. Trotz meiner immer wiederkehrenden Gedanken und Fragen verhielt ich mich wahrscheinlich wie die meisten Menschen in der Situation. Warum verändern, was bestens funktioniert? Das Gewohnte erscheint uns perfekt, da kennen wir uns aus.
    Im Frühjahr 2005 geschah dann einiges. In der Firma ging es mehr als turbulent zu, neben der normalen Hektik tauchten zusätzliche Probleme auf. Entlassungen aufgrund von Produktionsverlagerungen wurden ausgesprochen. Es fanden deshalb Umstrukturierungen und organisatorische Neuausrichtungen statt. Emotional empfand ich diese Zeit als sehr belastend. Ein Päckchen kam zum anderen, so erschien es mir. Walter und ich trennten uns und kamen kurze Zeit später doch wieder zusammen. Ausgerechnet zu einer wichtigen Stoffmesse wurde ich so krank, dass ich zu Hause bleiben musste. Ich hatte mir einfach zu viel zugemutet und mein Körper rächte sich mit einer schweren Grippe. Christa, eine meiner besten und langjährigen Freundinnen, schickte mir daraufhin einen Brief. Dieser enthielt ein Schreiben des Mönchs Bernhard von Clairvaux an seinen Freund Papst Eugen aus dem 12. Jahrhundert »Gönne Dich Dir selbst.« Ich las Zeilen, die mich tief berührten: »Wenn Du Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da loben? (...) Wenn also alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. (...) Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? (...) Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal.« Diese Worte ließen mein schlechtes Gewissen, nicht auf der Messe zu sein, schlagartig zur Ruhe kommen. Im Laufe des Jahres nahm ich diesen Text immer wieder zur Hand, er befand sich jederzeit griffbereit in meinem Timer. Ich versuchte die Worte zu beherzigen und sorgte dafür, dass ich mir immer wieder kleine Inseln der Ruhe, Entspannung und Besinnlichkeit schaffte.
    Die Beziehung zu Walter war wieder entspannter, auch weil ich beschlossen hatte, mehr Zeit im Hier und Jetzt zu verbringen, mehr den Augenblick zu genießen und nicht ständig den Blick nach vorne zu werfen. Dies gelang mir ganz gut und dadurch wich der Druck. Wir beschlossen, zum ersten Mal allein, nur zu zweit, ein paar Tage Urlaub zu machen. Unser Reiseziel war eine einsam gelegene Finca im Nordosten von Mallorca. Wir verbrachten traumhafte Tage und kehrten beschwingt einen Tag vor meinem 40. Geburtstag im Mai wieder zurück. Meinen runden Geburtstag feierte ich dann mit meiner Familie, allen meinen Freunden und auch vielen Kollegen aus der Firma mit einer stimmungsvollen Party im Hafen von Münster. Selbst schenkte ich mir eine zehntägige Ayurveda-Kur, die zwei Tage später in Bad Wildstein begann. Die Ruhe dort, das Entgiften des Körpers durch die ayurvedische Kost und die wohltuenden Behandlungen, der Verzicht auf Alkohol, das tägliche
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