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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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Betrügers und des Diebes.« Das kleine Paradoxon brachte ihn zum Lachen.
    Solís hatte genug geredet, lehnte sich in seinem Sitz zurück, um ein wenig zu dösen. Meine Gedanken wanderten wieder zu Jillian. Wenn sie wirklich geplant hatte, Clive umzubringen, dann hatte sie es Trebeaux zuliebe getan. Demnach hatte sie Trebeaux geliebt, nicht mich. Das wollte ich nicht wahrhaben, meine Eitelkeit ließ es nicht zu. Doch es musste sich nicht unbedingt um Liebe gehandelt haben. Als Partner hätten Trebeaux und sie reich werden können. Es war die Sicherheit, die Wohlstand bietet, die sie so geliebt hatte. Dennoch hatte sie eingewilligt, mit mir fortzugehen. Sicherlich war zu diesem Zeitpunkt Trebeaux’ Stern bereits im Sinken begriffen gewesen. Ohne Zweifel hatte Solis ihm schon früher klar gemacht, dass er Renseller, was die Bank betraf, nicht beerben konnte. Noch bevor er sich Clara gegenüber mit dem Mord an Clive gebrüstet hatte. Er sah einfach nicht aus wie ein Supergringo. Er hatte kein Format. Er wirkte billig, die Käuflichkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Deshalb hatte sich Jillian für das Nächstbeste entschieden – für die Abfindung und für mich.
    Warum für mich? Weil sie mich geliebt hatte. Verdammt noch mal, sie hatte mich geliebt. Genau das hatte sie getan.
    Ich kann ohne dich nicht leben, sagte sie. Irgendwann werde ich einsam an der Bar sitzen, nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, ich werde alten Liebeslieder lauschen und jedes Mal wird ein Funke Hoffnung in mir aufglimmen, wenn ein Versicherungsvertreter in schlechtem Anzug vorbeikommt und mich anspricht. Ich bin eine der letzten Romantikerinnen, Uri.
    Love conquers all, sagte ich.
    Sei nicht so albern, Liebling. Ich möchte einfach, dass du weißt, wer ich bin.
    Ich wusste nicht, wer sie gewesen war, und würde es nie mehr erfahren.

Vierundvierzig
    Blitze durchzogen den blauschwarzen Himmel wie Adern. Es war später Nachmittag, doch nirgendwo ein Anzeichen von Tageslicht. Victor war als Fahrer nicht zu beneiden. Er fuhr bereits mit Licht, doch die Scheinwerfer illuminierten lediglich die Striche des Regens. Er beugte sich über das Lenkrad, als garantiere die Nähe zur Windschutzscheibe eine bessere Sicht.
    »Ich werde in Samalayuca übernachten«, meinte Solís. »Eigentlich wollte ich weiter, nach Mexico City, aber bei diesem Wetter wäre das unklug.«
    Für mich der rettende Strohhalm, nach dem ich griff. Solís unterhielt sich gern mit mir. Vielleicht ließen wir uns in Samalayuca voll laufen. Vielleicht entschied er sich dagegen, mich mit Victor dort zurückzulassen, Victors Bedürfnis nach Rache hin oder her.
    »Wenn Sie würdig sterben, werde ich dafür sorgen, dass ein Priester ihr Grab segnet«, sagte er und setzte den Schlusspunkt hinter meine Wunschträume.
    Victor wandte den Blick lange genug von der Straße, um mich im Rückspiegel anzusehen. Sein Lächeln verriet mir, dass ich keinerlei Chance auf einen würdevollen Abgang hatte. Ganz offensichtlich wollte er mir etwas sagen, doch die Gegenwart seines jefe hinderte ihn daran. Er lief an der kurzen Leine, wie alle, die für Solís arbeiteten. Solís’ Manieren waren stets tadellos und dasselbe erwartete er von seinen Leuten. Clara Howlers Leine schien etwas länger zu sein als die der anderen. Und Jillian hatte sich als frei umherfliegendes Geschoss entpuppt.
    »Sterben ist keine Strafe«, sagte Solís, als könne er meine Gedanken lesen. »Das Leben ist Strafe. Tod ist die Erlösung.«
    »Für Sie ist das Leben nicht wirklich eine Strafe«, bemerkte ich.
    Er zuckte die Achseln. Das schicksalergebene Achselzucken der Mexikaner. »Sí. Das ist wahr. Aber ich habe schwierige Zeiten durchlitten und, quíen sabre, muss es vielleicht wieder.«
    Ich sagte: »Sie haben Leid verursacht«, und dachte dabei an Maggie, nicht an Moses.
    »Bitte, Mr. Walkinghorse, predigen Sie keine Moral. Das passt nicht zu Ihnen.« Er drehte sich zu mir um und sah mir direkt ins Gesicht.
    »Die Gringos haben uns viel von unserem Land weggenommen. Meinen Sie, dass hätte kein Leid verursacht? Tejás, Nuevo Méjico, Arizona, California wurden uns von Ihrer Regierung gestohlen. Und nun versorgt Mexiko los locos in den besetzten Territorien mit la cocaina und la heroina. Sie sind ein Volk mit einem Appetit, der nicht zu stillen ist. Sie nehmen dem Rest der Welt einfach alles. Es ist allein dieser Appetit, der Leid verursacht, nicht unsere Bereitschaft, ihn zu stillen.«
    Dieser Mann würde mich
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