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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition)
Autoren: John Lanchaster
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Und mir gleichzeitig einen Namen zu machen, verstehen Sie? Ich wollte etwas Ausgefallenes tun, etwas Kontroverses. Smitty hat mir immer diese Vorträge gehalten, wie die Kunstwelt funktioniert und die Kommerzialisierung, und dass man immer etwas machen muss, das so seltsam und ungewöhnlich ist, dass es den Leuten auffällt, das dabei aber nicht so aussehen darf, als wollte man es unbedingt verkaufen. Also habe ich gedacht, so was mache ich jetzt auch. Und gleichzeitig wollte ich, dass etwas dabei rauskommt, das ihn mal so richtig zum Nachdenken bringt. Mit ›ihn‹ meine ich Smitty. Ich wollte erreichen, dass er an nichts anderes mehr denken kann, dass er das Gefühl hat, dass jemand ihn fertig machen will, und er aber nicht weiß, warum.«
    »Pepys Road«, sagte Mill. Parker nickte.
    »Wo seine Großmutter gewohnt hat. Da waren immer diese Postkarten gekommen. Er fand das alles ziemlich seltsam und irgendwie angsteinflößend, das habe ich gemerkt. Aber es hat ihn auch fasziniert. Das Ganze war so ähnlich wie ein Kunstprojekt, so wie die Sachen, die er selber gemacht hat. Er hatte diese Mappe mitdem Zeugs auf seinem Schreibtisch liegen und hat es sich immer wieder angeschaut. Wochenlang ging das so. Ich habe auch mal einen Blick hineingeworfen. Da ist mir die Idee aber noch nicht gekommen. Dann habe ich mir den Blog angesehen und gemerkt, dass er eine Weile nicht mehr bearbeitet worden war, und da dachte ich, scheiß drauf, was soll’s. Ich habe so’n Screenscraping gemacht. Wissen Sie, was das ist? Wenn man es so kopiert, dass man es nachher selbst ins Netz stellen kann. Und dann wurde die Webseite plötzlich aus dem Verkehr gezogen, einfach so. Verschwunden. Also dachte ich, warum nicht, und habe sie wieder neu gestartet. Ich habe sie auf eine andere Blog-Plattform gestellt, aber den Namen habe ich so gelassen, wie er war. Dann habe ich das Originalmaterial wieder hochgeladen. Und dann habe ich eben noch ein paar Sachen hinzugefügt, die Graffiti und den ganzen Kram. Mit Smittys Haus habe ich angefangen.«
    »Dem Haus seiner Großmutter«, sagte Mill. Parker sah aus, als sei ihm das peinlich.
    »Na, egal. Damit habe ich angefangen. Aber ich wollte, dass alles einen viel düstereren Charakter bekommt. Dass es aggressiver wird. Diese Wichser, was glauben die denn, wer sie sind! Glauben die, sie wären die Herrscher der Welt, oder so was? Da draußen verhungern Menschen. Und sind arbeitslos. Da gibt es Kinder, die bekommen keine Medikamente! Und diese vornehmen hochnäsigen Wichser, die sitzen da … ich wollte einfach nur mal meine Meinung sagen, wissen Sie? Die Sache mal auf den Punkt bringen!«
    »War Smittys Großmutter denn auch so ein vornehmer, hochnäsiger Wichser?«, fragte der Kriminalinspektor.
    »Na, Smitty ist so’n vornehmer hochnäsiger Wichser. Das gibt er nur nicht zu«, entgegnete der Junge patzig. »Dem wollte ich mal einheizen. Ich dachte nicht, dass es seiner Oma was ausmachen würde.«
    »Und dass sie im Mai gestorben ist, war Ihnen egal?«
    Parker erschrak sichtlich bei dieser Information. Sein Kopf zuckte hoch, aber er gab keine Antwort.
    »Das Haus steht seit Monaten leer. Die Karten, DVDs und der ganze andere Kram, die wurden alle an eine unbewohnte Adresse verschickt. Wir haben mit Smitty geredet. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was dort alles vor sich gegangen ist.«
    Parkers Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Mill beschlich ein Gefühl von Traurigkeit. Dieser Junge würde seinen fehlgeleiteten Eifer sehr teuer bezahlen müssen.
    »Hat Ihnen bei den Graffiti jemand geholfen?« Das war die erste Frage, die es zu klären galt: kriminelle Sachbeschädigung.
    »Nein, das war ich ganz allein«, sagte er mit sehr leiser Stimme. »Ich habe es auch nur ein einziges Mal getan. Das Risiko, dabei erwischt zu werden, war mir einfach zu hoch. Die Dosen sind schuld, die rasseln so fürchterlich, wenn man sie schüttelt. Es ist sehr schwer, das in einer Wohngegend unbemerkt abzuziehen. Einmal hat mir gereicht.«
    »Das war im Mai«, sagte Mill, während der Beamte weiter in sein Notizbuch schrieb.
    »Hmmm«, sagte der Junge. Bei der Niederschrift des Vernehmungsprotokolls würde das als eine zustimmende Aussage vermerkt werden.
    »Und die Vögel, das waren Sie auch?«
    Jetzt sah der Junge aus, als sei ihm die Sache peinlich. Er senkte den Blick und murmelte etwas Unverständliches.
    »Das habe ich nicht ganz verstanden«, sagte Mill.
    »Der erste Vogel war von
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