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Kapital: Roman (German Edition)

Kapital: Roman (German Edition)

Titel: Kapital: Roman (German Edition)
Autoren: John Lanchaster
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angeschaut hatte, weil sie keinen DVD-Player besaß. Ich habe die Sachen an meine Mutter weitergeleitet und seitdem nichts mehr davon gehört. Ich war davon ausgegangen, dass es einfach aufgehört hat. Meine Mutter hat das Haus renovieren lassen, bevor sie es verkauft hat. W IR W OLLEN W AS I HR H ABT . Kein schlechter Slogan. Ich weiß noch, dass ich das damals gedacht habe. Schon komisch, dass die damit nicht aufgehört haben.«
    »Wir haben uns gefragt, ob es etwas mit Ihnen zu tun haben könnte. Es hat viel Ähnlichkeit mit Ihrer Arbeit.«
    Smitty schnaubte verächtlich. »Einen Teufel hat es. Tierquälerei? Ich war fünf Jahre lang Veganer und esse auch heute noch kaum etwas, das ein Gesicht hat. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich verdammt noch mal wahnsinnig darauf achte, nie, auch nicht im Geringsten, gegen das Gesetz zu verstoßen. Ich habe ziemlich viel zu verlieren, Jungs. Ich kann verstehen, warum Sie denken, es könnte etwas mit Kunst zu tun haben, und warum Sie dabei auf mich gekommen sind, aber glauben Sie mir, in diesem Fall ist zwei plus zwei gleich elf.«
    Er schaute sich weiter die Bilder an. Smitty erinnerte sich an die Zeit, als er seine Großmutter besucht hatte, das letzte Mal, als er sie bei voller Gesundheit gesehen hatte – falls sie damals tatsächlich noch vollkommen gesund gewesen war; jetzt, wo er darüber nachdachte, hatte sie auch da schon ein wenig gebrechlich und abgehärmt gewirkt. Wenn er es nur damals schon gewusst hätte … aber was dann? Dann wäre es auch nicht unbedingt anders gekommen. Aber es wäre ihm trotzdem lieber gewesen, Bescheid zu wissen. Dann wäre er nicht einfach zurück zu seinem Atelier gegangen, zurück zu seiner Arbeit, als wäre es ein Tag wie jeder andere auch, zurück zu seinem Schreibtisch, seiner vertrauten Umgebung und seinem wahnsinnig nervigen Assistenten, den er kurz darauf gefeuert hatte.
    »Aber egal, als die Sache wieder angefangen hat, habe ich zuerst gar nicht davon gewusst. Meine Oma war gestorben, und außer den Handwerkern war niemand im Haus. Aber dann ist meine Mutter zu so einem Treffen gegangen und hat herausgefunden, dass es sehr wohl weitergegangen und sogar noch schlimmer geworden war. Und später habe ich etwas in der Lokalzeitung gelesen. Ich habe angefangen, mich zu fragen, wer wohl dahintersteckt, und dann kommt mir aus heiterem Himmel diese Idee. Und ich bin ziemlich sicher, dass ich weiß, wer es war. Ich weiß nicht, wie er damit angefangen hat, aber ich hatte eine Mappe mitdem Zeugs in meinem Atelier, mit den Karten, dem Blog und der DVD, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das Zeug dort gesehen haben muss. Mein ehemaliger Assistent. Ich habe ihn gefeuert, kurz bevor diese Geschichte hier aus dem Ruder gelaufen und so übel geworden ist. Ein widerlicher kleiner Arsch, der versucht, sich an mir zu rächen. Der versucht, mich kaputt zu machen. Ein Möchtegernkünstler. Und er hatte keine Ahnung, dass ich das alles gar nicht mitgekriegt habe. Dämlicher kleiner Wichser. Aber ich konnte nicht zur Polizei gehen, weil ich ja schlecht sagen konnte, wer schuld war, ohne zu sagen, wer ich bin. Und die Frage, wer ich bin, war die größte, wichtigste Sache, die es in meinem Leben gab – dass die Leute das nicht wussten, verschaffte mir bei meiner Arbeit die allergrößten Vorteile und war überhaupt erst der Sinn und Zweck des Ganzen. Und das hat man mir jetzt weggenommen, dank unserer wunderbaren Presse. Das ist das Schlimmste, was mir seit Jahren passiert ist, vielen Dank der Nachfrage. Aber immerhin konnte ich deswegen hingehen und Ihnen erzählen, was ich weiß.« Smitty blies seine Wangen auf und seufzte. »Na egal. Das hier ist sein Name.« Und dann schob er ein Stück Papier über den Tisch, auf dem der Name und die Adresse seines Ex-Assistenten standen.

105
    Alle Lagerinsassen sagten, dass es ein bedeutender Moment war, wenn man sich an das Essen gewöhnt hatte. Manche meinten, es sei ein schlimmer Moment, ein Zeichen dafür, dass man sich schon viel zu lange hier aufhielt, und andere meinten, es sei ein guter Moment, weil das hieß, dass man sich in sein Schicksal gefügt hatte. Man hörte danach zwar nicht damit auf, sich über das Essen zu beklagen, aber die Entrüstung ging eher in Resignation über; und die wichtigste Veränderung war, dass man jetzt wenigstens überhaupt wieder etwas zu sich nehmen konnte. Bei Quentina kam dieser Moment, als sie einen Wackelpudding aß. Bisher hatte sie einen Monat lang nichts
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