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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
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übrigen Leute auf dem Schiff, denn der Kapitän bestellte, wie oben erwähnt, nur selten etwas aus den Schiffsvorräten, ich zweigte davon jedoch einiges für meinen eigenen Gebrauch ab. Wir gelangten etwa sieben Monate nach unserer Abfahrt von Lissabon nach Goa in Ostindien und lagen dort acht weitere Monate. Während dieser Zeit hatte ich, da mein Herr meistens an Land war, tatsächlich nichts weiter zu tun, als nur alles zu lernen, was es Schlechtes bei den Portugiesen gibt, einem Volk, welches das hinterlistigste und verderbteste, das anma-
    ßendste und grausamste von allen Völkern der Welt ist, die vorgeben, Christen zu sein.
    Stehlen, Lügen, Fluchen und Meineide schwören, zusammen mit der abscheulichsten Unzüchtigkeit, gehörten zu den regelmäßigen Gewohnheiten der Schiffsmannschaft; dazu kam, daß die Leute die unerträglichsten Prahlereien über ihren eigenen Mut von sich gaben und dabei im allgemeinen die größten Feiglinge waren, denen ich je begegnet bin. Die Folgen ihrer Feigheit wurden bei vielen Anlässen sichtbar. Einer oder der andere aus der Mannschaft war jedoch nicht ganz so schlimm wie die übrigen, und da mich mein Geschick unter jene gestellt hatte, empfand ich in Gedanken die größte Verachtung für die übrigen, die sie auch verdienten.

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    Ich paßte wahrhaftig genau in ihre Gesellschaft, denn ich besaß keinerlei Sinn für Tugend oder Religion. Ich hatte von beiden nicht viel gehört, außer dem, was ein guter alter Pastor mir gesagt hatte, als ich ein acht- oder neunjähriges Kind war –
    ja, ich war auf dem besten Wege, rasch zu einem Menschen aufzuwachsen, der so verrucht war, wie er nur sein konnte oder wie es vielleicht nur je einen gegeben hat. Das Schicksal lenkte zweifellos auf diese Weise meine ersten Schritte in dem Wissen, daß ich Arbeit auf der Welt zu verrichten hatte, die nur jemand ausführen konnte, der gegen jeden Sinn für Ehrlichkeit oder Religion verhärtet war. Trotzdem aber empfand ich sogar in diesem ursprünglichen Zustand der Sündhaftigkeit einen so entschiedenen Abscheu vor der verworfenen Niedertracht der Portugiesen, daß ich sie von Anfang an und auch danach mein ganzes Leben lang nur von Herzen zu hassen vermochte. Sie waren so viehisch gemein, so niedrig und heimtückisch, nicht nur Fremden, sondern auch einander gegenüber, so schäbig unterwürfig, wenn sie die Untergebenen und so unverschämt oder roh und tyrannisch, wenn sie die Vorgesetzten waren, daß ich dachte, sie hätten etwas an sich, was meine ganze Natur empörte. Dazu kommt, daß es für einen Engländer natürlich ist, Feiglinge zu hassen – all das trug dazu bei, daß ich gegen einen Portugiesen die gleiche Abneigung wie gegen den Teufe l empfand.
    Wer aber, wie das englische Sprichwort sagt, mit dem Teufel an Bord geht, muß mit ihm segeln; ich befand mich unter ihnen und richtete mich ein, so gut ich konnte. Mein Herr hatte sich damit einverstanden erklärt, daß ich dem Kapitän, wie oben beschrieben, in der Speisekammer zur Hand ging, aber da ich später erfuhr, daß dieser ihm monatlich einen halben Moidor für meine Dienste zahlte und meinen Namen auch in der Musterrolle verzeichnet hatte, erwartete ich, daß mein Herr, wenn die Mannschaft in Indien die Heuer für vier Monate 12
    ausgezahlt erhielte, wie es anscheinend üblich ist, mir etwas davon überlassen würde.
    Da hatte ich mich jedoch in meinem Mann getäuscht, denn zu der Art gehörte er nicht; er hatte mich in einer Notlage aufgelesen, und sein Anliegen war, mich darin zu halten und soviel er nur konnte, an mir zu verdienen. Ich begann anders darüber zu denken als zuerst, denn zu Beginn hatte ich geglaubt, er unterhalte mich aus reiner Barmherzigkeit, da er meine elende Lage sah, und als er mich an Bord brachte, zweifelte ich nicht daran, daß ich für meine Dienste einen Lohn erhalten solle.
    Er war jedoch anscheinend ganz anderer Meinung darüber, und nachdem ich jemand bewogen hatte, in Goa, als die Mannschaft ausbezahlt wurde, mit ihm darüber zu sprechen, geriet er in größte Wut, nannte mich einen englischen Hund, einen jungen Ketzer und drohte, mich vor die Inquisition zu bringen. Von all den Namen, die sich mit vierundzwanzig Buchstaben zusammenstellen lassen, hätte er mich wirklich keinen Ketzer nennen dürfen, denn weil ich über die Religion nichts wußte und weder die protestantische von der papisti-schen noch jede der beiden von der mohammedanischen zu unterscheiden vermochte, konnte ich niemals
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