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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
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Finanzexperte und geheimer Ratgeber durch das Land. An dem Zusammenschluß von England und Schottland, der 1707 erfolgte, war er, als Privatmann auftre-tend, in geheimer Mission beteiligt. Als Königin Anna starb und mit dem Hannoveraner Georg I. die Whigs wieder ans Ruder kamen, sollte er in deren Auftrag für die Tory-Presse arbeiten, dabei aber die Propaganda der Opposition verwässern.
    Es bleibt zu fragen, wer korrupter war, Defoe oder seine hochgestellten Drahtzieher. Auf jeden Fall hat ihn das Problem, ob sich ein christliches Ethos in einer bürgerlichen Gesellschaft verwirklichen lasse oder ob nicht vielmehr Vernunft und neuartige Lebenserfahrungen andere Entscheidungen gutheißen müßten als eine abstrakte Vorstellung von gut und böse, stets beschäftigt. Wo immer sein unvergleichliches literarisches Alterswerk von den Abenteuern des Lebens und den Entdek-kungen der Welt handelt, vollzieht der Bürger Defoe auch die sittliche Bilanzierung: Die junge bürgerliche Gesellschaft und das bürgerliche Individuum sollten ihr Gewissen behalten –
    freilich eines, das den Kapitalisierungsprozeß nicht behinderte.

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    Die Rechenschaftslegung über Besitz, Gewerbe, Geld und über den sittlichen Wert des damit verbundenen Handelns bilden den Angelpunkt der großen Prosadichtungen und Berichte, die Defoe mit fast sechzig Jahren zu schreiben begann. Um diese Zeit handelte er mit Austern, Speck, Honig und Käse. Wie er dazu kam, nun noch zahlreiche Bücher zu verfassen, darunter Werke, die den ersten Höhepunkt in der Entwicklung des bürgerlichen Romans bilden, bleibt ebenso rätselhaft wie sein politisches Profil und sein Charakterbild, die in dem Geflecht von Erfolgssträhnen, Rückschlägen und meist für ihn widrigen Umständen nicht leicht auszumachen sind.
    Verwunderlich daran ist allein der Umfang der Werke, die Vielzahl der Gattungen und ein auffälliges Interesse an Abenteuern, an den Wechselfällen des Glücks, an der Unerbitt-lichkeit der Konkurrenz in allen Lebensbereichen, an Katastrophen, an der Kunst der Selbstbehauptung des Individuums, auch wenn es dabei Mittel einsetzt, die als verwerflich oder kriminell galten.
    In den zwölf Jahren vor seinem Tode (er starb 1731) veröffentlichte Defoe die beiden Teile des „Robinson Crusoe“
    (1719) und einen Kommentar dazu (1720), die Romane
    „Kapitän Singleton“ (1720), „Moll Flanders“ (1722), „Oberst Jack“ (1722), „Roxana“ (1724), die erzählenden Berichte „Die Reisen und Abenteuer Sir Walter Raleighs“, „Der König der Piraten“, „Der stumme Philosoph“ und „Mr. Duncan Camp-bell“ (alle 1719), „Memoiren eines Kavaliers“ (1720), „Die Pest in London“ (1722), „Eine neue Weltreise“ (1724), die schon erwähnte „Reise durch die ganze Insel Großbritannien“, Sachbücher über die Börse, das Benehmen von Dienstboten, die Gewalttätigkeiten seiner Zeit, eheliche Untreue, christliche Gattenwahl, Geistererscheinungen, eine Geschichte Peters des Großen, eine Geschichte der Erfindungen, eine Geschichte der Magie und eine „Allgemeine Geschichte der Seeräuber“ (1724
    und 1728), Handbücher für den Handelskaufmann und den 361
    vollendeten Gentleman sowie einen Plan für die englische Wirtschaft. Hinzu kam die Verbrecherbiographie des berüchtigten „John Sheppard“ (1724) und eine Reihe von Geständnis-sen, Lebensbeichten und Kurzbiographien von Verurteilten, die er zwischen 1720 und 1726 vor ihrer Hinrichtung für John Applebees „Original Weekly Journal“ interviewte.
    Defoes Romane und ein Buch wie „Die Pest in London“
    galten damals natürlich nicht als Kunst. Fast alle bedeutenden Dichter und Literaten ignorierten oder belächelten sie, waren es doch die dilettantischen Ergüsse eines ungebildeten Plebejers, der sich in der Kunst nicht auskannte. Die von den Lehren des Aristoteles abgeleiteten Normen und Regeln der schönen Literatur sahen solche Produkte gar nicht vor, die ganz persönliche Lebensgeschichten enthielten, von „niederen“
    Gegenständen und Charakteren handelten, sich aber wohl nicht dem Komischen zurechnen ließen, in welchem allein die
    „niedere“ Welt dargestellt werden durfte.
    Obwohl Prosaromanzen und Romane schon lange im
    Schwange waren, obwohl einige in Vorworten, Rezensionen und Essays auch bereits theoretisch erörtert wurden, obwohl die jahrhundertelang für alle Nationen unverändert gültigen Regeln der Poetik von den literarischen Bedürfnissen der sich emanzipierenden
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