Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
ausgemachte Held. Der Umschwung durch die Palastrevolution von 1688/89 brachte den Dissentern die religiöse Freiheit und einen Teil jener Rechte zurück, die ihnen die nach Cromwells Tod wiedereingesetzten Stuarts genommen hatten. Als Dissenter bezeichnete man die Puritaner, außerhalb der anglikanischen Staatskirche stehende strenge Protestanten, meist nicht sehr wohlhabende Angehörige des Bürgertums.

    355
    Daniel Defoe, ein solcher Dissenter, ist eine der bemerkens-wertesten Persönlichkeiten der Weltliteratur geworden, nicht nur als Verfasser des „Robinson Crusoe“ (1719), des ersten Buches, das von mehr Menschen gelesen wurde als die Bibel.
    Die Faszination, die von diesem einfachen, regen, nüchternen und vielseitigen Mann ausgeht, liegt gerade darin, daß er kein Schriftsteller war – jedenfalls nicht in erster Linie.
    Defoe war Händler, Fabrikant, Kaufmann, daneben Journalist und Pamphletist und ferner politischer Agent, bezahlter Kundschafter, Propagandist und Zwischenträger. Wenn er außerdem mit sechzig Jahren begann, eine Art von Büchern zu schreiben, die wir heute Romane nennen, so hätte er, obwohl sie seinen Namen über Jahrhunderte bewahrt haben, gewiß andere seiner Unternehmungen und Ideen höher bewertet. Das erstaunlich Menschliche und Aufrichtige an diesem Manne ist aber sein Mut, eine Kardinalfrage seiner Zeit gestellt und die Antworten dem Test verschiedener Tatsachen und erfundener Situationen unterworfen zu haben. Es ging darum, wie der Widerspruch zwischen bürgerlichem Interesse und bürgerlicher Tugendvorstellung zu lösen und wo die Grenze zwischen individuellem Glücksstreben und rücksichtsloser Übervortei-lung der Konkurrenz zu finden sei. In der Zeitschrift „Review“
    schrieb Defoe 1704: „Die Leute neigen sehr dazu, ihren Profit und ihr Gewissen miteinander in Einklang zu bringen.“
    Defoes Lebenslauf und sein Wirken veranschaulichen selbst am besten, wie unter den Bedingungen der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals ökonomische, politische, religiöse und sittliche Erwägungen als oft höchst widersprüchliche Motivationen wirkten. Abenteuer, Risiko und Straffälligkeit lagen so dicht beieinander, daß wir heute nur die Tatkraft und den Eifer bewundern können, mit denen sich das vorwärts-drängende Bürgertum selbstbewußt an die Aneignung der Welt begab. Die bürgerliche Klasse hatte die Tauschwertbeziehun-gen zwischen den Menschen an die Stelle der feudalistischen 356
    Bindungen gesetzt; nun mußte sie ihre Gewinnsucht als eine unleugbare Realität in das sittliche Wertsystem integrieren.
    Dazu bedurfte es noch vieler Erfahrungen und Argumente.
    Wie kein anderer Autor seiner Zeit hat Defoe dieser Selbstverständigung anschauliche, unterhaltende und lehrreiche Beispiele geboten. Daß dabei der Tugendbegriff relativiert werden mußte, so wie Defoe viele Kompromisse zu schließen hatte, schmälerte den Optimismus des aufstrebenden Bürgertums kaum: Robinson Crusoe war ob seiner Beherztheit und Umsicht, seiner Zielstrebigkeit und seines Erfolgs zu loben, auch wenn er seinen Sklaven verkaufte, Eingeborene zur Arbeit für sich zwang und sich zum Imperator einer Kolonie aufschwang.
    Daniel Defoe wurde 1660 geboren, in dem Jahre, als die konservativen Stuarts auf den Thron zurückkehrten. Die Dissenter, die in der voraufgegangenen bürgerlichen Revolution den linken Flügel der Partei des Volkes gebildet hatten, wurden nun von Universitäten und von allen Ämtern in der Staatsverwaltung, in Kirche und Armee ausgeschlossen. Der Londoner Kerzenhändler James Foe sah für den Sohn deshalb die Laufbahn eines Dissenterpredigers vor. In der Dissenter-schule von Ehrwürden Charles Morton in Newington Green konnte der Junge mehr nützliches Wissen erwerben als in einer alten Lateinschule. Geographie war sein Lieblingsfach, und er las viele Reisebeschreibungen, darunter gewiß auch solche von Freibeutern.
    Dem Leben als Prediger unter ständiger Verfolgung zog er dann die offene Welt des Geschäftslebens vor und handelte bereits als Zwanzigjähriger mit Strümpfen, Kurzwaren, Wein und Tabak. Zwischen 1680 und 1683 befand er sich vermutlich mehrfach auf Reisen nach dem Kontinent. Auch ritt er durch England und hielt sich einige Zeit in Schottland auf. Am Neujahrstag 1684 heiratete er Mary Tuffley, eine Kaufmanns-357
    tochter, welche die ansehnliche Mitgift von 3700 Pfund in die Ehe brachte.
    Im Jahre 1685 beteiligte sich Defoe an dem vom Herzog von Monmouth geführten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher