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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
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kommen, und dann schicke ich ihr noch einmal fünftausend Pfund.“
    Kurz, auf diese Weise machten wir die Familie dieser armen Frau reich. Als es aber soweit war, fe hlte mir der Mut zu der Fahrt, und William wollte sich ohne mich nicht fortrühren; so blieben wir danach noch zwei Jahre und überlegten, was wir tun sollten.
    Der Leser mag denken, ich sei mit meinem auf unrechte Weise erworbenem Gut sehr verschwenderisch umgegangen, eine Fremde mit meiner Freigebigkeit zu überschütten und ihr, die nichts hatte tun können, um irgendeine Gabe von mir zu verdienen, ja mich nicht einmal kannte, ein so prinzliches Geschenk zu machen; aber man darf meine damalige Lage nicht außer acht lassen, denn obgleich ich Geld im Überfluß besaß, mangelte es mir doch gänzlich an einem Freund in der Welt, der mir auch nur im mindesten verpflichtet gewesen wäre oder mir geholfen hätte, und ich kannte auch niemanden, bei dem ich das, was ich besaß, hinterlegen oder dem ich es anvertrauen konnte, solange ich am Leben war, und dem ich es vermachen konnte, wenn ich starb.
    Als ich über die Art und Weise, wie ich meinen Besitz erworben hatte, nachdachte, war ich manchmal der Meinung, ich sollte ihn ganz und gar für wohltätige Zwecke verwenden, um eine Schuld bei der Menschheit zu begleichen, obwohl ich nicht römisch-katholisch und durchaus nicht der Ansicht war, damit könnte ich mir irgendwelche Seelenruhe erkaufen; ich dachte jedoch, da ich ihn mir durch allgemeine Plünderung, die ich nicht wiedergutmachen konnte, angeeignet hatte, gehörte er der Allgemeinheit und ich müßte ihn zum allgemeinen Wohl verteilen. Ich wußte aber noch immer nicht, wie, wo und durch wen ich diese Wohltätigkeit ausüben sollte, da ich nicht wagte, in mein Heimatland zurückzukehren, aus Furcht, daß vielleicht einige meiner Kameraden, die es wieder nach Hause verschla-351
    gen hatte, mich dort sehen und aufspüren und mich allein zu dem Zweck, sich mein Geld anzueignen oder für sich selbst eine Begnadigung zu erkaufen, verraten und einem vorzeitigen Ende zuführen könnten.
    Da ich also keinen einzigen Freund hatte, verfiel ich auf Williams Schwester. Ihre gütige Handlungsweise gegenüber ihrem Bruder, den sie in Not glaubte, deutete auf eine großherzige Veranlagung und eine mildtätige Gesinnung hin, und als ich mich entschloß, sie zum Gegenstand meiner ersten Wohltat zu machen, zweifelte ich nicht daran, daß ich mir selbst damit eine Art Zuflucht erkaufte, eine Art Ziel, dem ich mich in meinen künftigen Handlungen zuwenden konnte; denn ein Mann, der einen Lebensunterhalt, jedoch keinen Wohnort und keinen Platz hat, der eine magnetische Kraft auf seine Gefühls-bindungen ausübt, befindet sich in einer der ungereimtesten, unsichersten Lagen, die es gibt, und all sein Geld hat nicht die Macht, ihn dafür zu entschädigen.
    Wir blieben also, wie ich dem Leser bereits mitteilte, mehr als zwei Jahre in Venedig und dessen Umgebung, in höchstem Maße unentschlossen und zutiefst voller Zweifel und Unrast.
    Williams Schwester drang täglich in uns, wir sollten nach England kommen, und wunderte sich, warum wir nicht wagten, ihr zu vertrauen, die wir sie doch so sehr verpflichtet hatten, uns ergeben zu sein, und sie beklagte sich gewissermaßen darüber, daß wir sie verdächtigten.
    Endlich begann ich nachzugeben und sagte zu William:
    „Höre, Bruder William“ (denn seit unserem Gespräch in Basra nannte ich ihn Bruder), „wenn du mir zwei oder drei Dinge zugestehst, werde ich von Herzen gern mit dir nach England heimkehren.“
    William erwiderte: „Laß mich hören, welche.“
    „Nun, als erstes darfst du deine Identität keinem anderen deiner Verwandten in England enthüllen als nur deiner Schwester – nein, nicht einem“, sagte ich. „Zweitens werden 352
    wir uns unsere Bärte nicht abrasieren“ (denn wir hatten uns die ganze Zeit über auf griechische Art Schnurr- und Backenbärte stehenlassen) „und auch unsere langen Überröcke nicht ablegen, damit man uns für Griechen und Ausländer hält.
    Drittens wollen wir in der Öffentlichkeit vor keinem Menschen jemals englisch sprechen, mit Ausnahme vor deiner Schwester.
    Viertens wollen wir stets zusammenleben und als Brüder gelten.“
    William erklärte, er werde all dem aus vollem Herzen zu-stimmen, nicht englisch zu sprechen aber werde das schwerste sein, er wolle jedoch auch hierin sein Bestes tun; mit einem Wort, wir kamen überein, uns von Venedig aus nach Neapel zu begeben,
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