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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph
Autoren: Andreas Brandhorst
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hatte begonnen und musste unbedingt, unter allen Umständen, erhalten bleiben, denn sonst konnte es seiner Aufgabe nicht gerecht werden.
    Die Sensoren des brennenden Laboratoriums stellten defekte Siegel und eine biologische Kontamination fest, was die Überwachungsservi zum Anlass nahmen, Neutralisierungsmaßnahmen einzuleiten. Giftgas zischte aus Düsen; harte Strahlung kam aus Projektoren.
    Die letzten Stimmen – ihre Schreie – verstummten, ebenso das Quieken. Löschschnee rieselte aus Ventilen und erstickte die Flammen. Allmählich breitete sich im Laboratorium Stille aus.
    Die peripheren Zellen des Etwas, die mit dem Giftgas in Kontakt gerieten, starben ab, und im Moment ihres Todes übermittelten sie der Formationsmatrix Informationen über das Toxin. Die Matrix reagierte unverzüglich, indem sie die Exekutoren veranlasste, die Struktur der nächsten Zellschicht so zu verändern, dass das Giftgas wirkungslos blieb. Gleichzeitig aktivierte sie Korrektoren und Reparateure, die von der harten Strahlung verursachte Zellschäden reparierten.
    Das Etwas löste sich vom Programmierungsmodul und glitt weiter, angetrieben vom Gebot der Selbsterhaltung. Es hatte einen Teil von sich verloren – die abgestorbenen Zellen –, aber die aufgenommenen Informationen versetzten es in die Lage, weiter zu wachsen. Dazu brauchte es keine speziellen Nährstoffe mehr; organische Materie genügte.
    Es kroch durch klebrigen Löschschnee in Richtung Schleuse, und auf dem Weg dorthin kam es zum Kontakt mit mehreren toten Geschöpfen. Das Etwas zögerte nicht, nahm ihre Substanz in die eigene Masse auf, fügte die Informationen über deren Struktur den Memoranten hinzu, sonderte Giftstoffe ab und nutzte das Zellmateriell fürs eigene Wachstum. An der Schleuse angelangt verringerte das Grundprogramm der Selbsterhaltung die molekularen Bindungskräfte und sorgte gleichzeitig dafür, dass die externen Zellen Säure sekretierten. Siegel, die Hitze und Strahlung standgehalten hatten, lösten sich auf, und das Etwas – nun eine Flüssigkeit mit geringer Dichte –, glitt durch Poren, die jeweils nur wenige Molekülbreiten durchmaßen.
    Auf der anderen Seite der Schleuse herrschte Dunkelheit, aber die Finsternis behinderte das Etwas nicht. Auf der Grundlage des Selbsterhaltungsprogramms initialisierte die Matrix eine vorübergehende Zellspezialisierung, um dem Etwas die Orientierung zu ermöglichen. Es behielt seine geringe Dichte bei und entfernte sich immer mehr von dem Laboratorium, in dem es entstanden war. Die Selbsterhaltung gab ihm ein Ziel, die Verarbeitung der aufgenommenen organischen Materie Kraft. Es passierte zwei weitere Türen, indem es Poren in die Siegel ätzte, und anschließend erreichte es eine Filterstation, die mit dem Draußen verbunden war – das ging aus den Informationen hervor, die in den Memoranten gespeichert waren.
    Das Etwas erhöhte die molekularen Bindungskräfte, wurde wieder kompakter und glitt durch die schmalen Zwischenräume eines Rohrbündels. Ohne Ohren »hörte« es Stimmen und andere Geräusche, die meisten von ihnen nicht identifizierbar. Das langsam lauter werdende Rauschen hingegen wusste es zu deuten. Es stammte von einem Fluss, und der Fluss bedeutete eine wesentliche Verringerung der Gefahr, die seiner Existenz drohte.
    Das Etwas vergrößerte seine Dichte, verringerte die Haftung der externen Zellen und überließ sich der Schwerkraft. Es löste sich von rauem Metall, und mit einem dumpfen Platschen, das sich im viel lauteren Rauschen verlor, verschwand es im Fluss.
     
    »Wie konnte es dazu kommen?« fragte Rubens Lorgard, Direktor der NHD-Niederlassung auf Kerberos. Zusammen mit seinem Sicherheitschef stand er in einer Beobachtungsnische, die den besten Blick auf das Laboratorium bot.
    »Die Untersuchungen dauern an«, erwiderte Edwald Emmerson. Der kleine, schmächtige Mann mit dem schütteren Haar wirkte wachsam und konzentriert. »Es kam zu einem Feuer, das sich rasch ausbreitete. Die hohen Temperaturen lösten chemische Reaktionen aus, und mehrere Explosionen waren die Folge. Die Sensoren stellten eine biologische Kontamination fest, und daraufhin wurden die Sicherheitssysteme aktiv.«
    Lorgard betrachtete ein Bild der Verwüstung. Löschschnee hatte sich wie eine weiße Decke über das ganze Labor gebreitet, konnte jedoch nicht über die Verheerung hinwegtäuschen. Geräteblöcke waren geborsten, Bottiche und Retorten geplatzt, Displays gesplittert. Nicht einer der Brutschränke hatte
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