Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen
Autoren: Sarah Harvey
Vom Netzwerk:
neues Leben aufbauen. Nach vorne schauen. Vergessen, dass Bastian Summers je existiert hatte.
    Am fünften Tag dachte sie daran, wie er sie immer an sich gezogen hatte, wenn sie fror. Wie er die Arme um sie geschlungen, ihr den Nacken geküsst hatte. Wie sie im Einklang geatmet und sie schließlich gemeinsam eingeschlafen waren.
    Sie dachte an die guten Zeiten. Daran, wie glücklich sie miteinander gewesen waren. Warum gab er so schnell auf? Wollte er nicht um sie kämpfen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Tatsache war, dass Hanny in diesem Augenblick nicht mehr wusste, was sie selbst eigentlich wollte. Tatsache war, dass er ihre Gefühle verletzt hatte und darauf herumgetrampelt war.
    Und nun stand der Mann, der ihre Gefühle als Fußabtreter benutzt hatte, wieder vor ihrer Tür.
    Das konnte nur er sein. In dieser Herrgottsfrühe.
    Sie zögerte einen Augenblick.
    Wollte ihn sehen.
    Wollte ihn so gerne sehen!
    Wollte ihn nicht sehen.
    Wollte ihn auf gar keinen Fall sehen.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie stellte sich vor, wie die Zeiger der Küchenuhr sich bewegten. Die Zeit schlich, und Hanny spitzte die Ohren in Erwartung eines zweiten Klopfens, das normalerweise auf das erste folgte, wenn es nicht beantwortet wurde.
    Eine Minute.
    Zwei Minuten.
    Eigentlich keine lange Zeit, aber wenn man auf etwas wartet, eine Ewigkeit.
    Kein zweites Klopfen.
    Kurz bevor sie die Luft nicht länger anhalten konnte, vernahm sie ein weiteres Geräusch, etwas weiter entfernt.
    Das Zuschlagen einer Autotür.
    Das Starten eines Motors.
    Dann gab jemand Gas, und das Autogeräusch entfernte sich.
    Sie wartete, bis es wieder vollkommen still war, dann zog es sie magnetisch zur Haustür. Sie öffnete sie. Vor ihr lag ein riesiger Strauß Blumen.
    Â»Blumen«, sagte sie laut, als müsse sie sich selbst bestätigen, was ihre Augen da sahen.
    Â»Blumen«, wiederholte sie, dieses Mal mit einem verächtlichen Unterton.
    Â»Blumen«, sagte sie zum dritten Mal, deutlich lauter.
    Sie schüttelte den Kopf. Was für ein Klischee!
    Treibhauswicken im Dezember.
    Wie daneben.
    Er hatte ihr noch nie Blumen gekauft, und jetzt auf einmal, nur weil sein Gewissen ihn plagte.
    Hanny verschränkte die Arme vor der Brust. Sah, wie ihr Atem zu Nebelwolken wurde. Sie war versucht, die Tür wieder zu schließen und so zu tun, als hätte sie die Blumen nie gesehen, aber sie wusste genau, dass sie ständig an sie denken würde. Also nahm sie sie mit in die Küche. Sie konnte es sich nicht verkneifen, kurz die Nase zwischen die zarten Blüten zu stecken, um ihren Duft einzuatmen.
    Aber sie dufteten gar nicht.
    Hanny öffnete den Abfalleimer und stopfte den überdimensionalen Strauß hinein, so gut sie konnte. Dabei fiel die Karte zum Strauß herunter und landete vor ihren Füßen. Wütend hob sie sie auf und stopfte auch sie ungelesen in den Eimer.
    Wahrscheinlich wollte er sie um Verzeihung anbetteln.
    Hanny musste heftig blinzeln.
    Konnte sie ihm verzeihen?
    Ach, wenn sie es doch nur könnte. Wirklich. Sie wünschte, sie könnte es. Aber wenn man jemanden von ganzem Herzen liebt, dann reißt dieser Jemand dir das Herz heraus, wenn er geht. Und wie könnte Hanny, herzlos wie sie war, ihm verzeihen?

Wenn der Zweck seiner Übung gewesen war, dafür zu sorgen, dass ihr erster Gedanke am nächsten Morgen ihm galt, dann hatte er sein Ziel erreicht, allerdings wohl kaum mit den Vorzeichen, die er sich erhofft hatte.
    Â»Blumen«, sagte sie abermals laut, kaum dass sie die Augen aufschlug (und sie sagte es ungefähr so, wie sie sonst »Arschloch« gesagt hätte), »das ist doch die reinste Beleidigung!«
    Ihre bisher unterdrückte Wut kochte nun hoch wie eine Suppe, die zu stark erhitzt wurde. Sie war früh aufgewacht, viel früher als sonst, und hatte an diese verdammten Blumen gedacht. Es war erst halb sechs. Beim Blick auf die Uhr kam Hanny zu der Erkenntnis, dass sie den Wecker mit seinen Leuchtziffern nicht ausstehen konnte, sprang aus dem Bett, schnappte sich das Objekt ihrer Irritation, rannte wütend damit in die Küche, nahm die Blumen aus dem Abfalleimer und pfefferte den Wecker stattdessen hinein. Die Blumen warf sie zu Boden und trampelte wie besessen darauf herum, bis nur noch eine unschöne Masse aus Blütenblättern und abgebrochenen Stängeln davon übrig war, ein bunter Haufen Farbe.
    Dann hielt sie inne und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher